Der neue Vize-Ressortleiter Rafael Binkowski startet seine Kolumne zum Smartphone-Entzug.

Leonberg - Gestatten Binkowski, Rafael Binkowski. Ich bin hier der Neue. Von mir werden sie nun noch öfter hören. Pardon, lesen, natürlich. Das mit dem Hören ist nämlich derzeit so eine Sache. Denn beim Wechsel des Arbeitgebers habe ich gute Vorsätze mitgenommen, aber mein Dienst-iPhone zurück gelassen. Die Wartezeit auf das neue Werkzeug versüße ich mir mit einem Scheunenfund, dem prähistorischen Nokia 1650. Es hat sogar ein Farbdisplay und – sensationell – ein echtes Tastenfeld.

 

Tag 1: Ungläubiges Staunen.Ich schaue alle vier Minuten auf das trübe Display. Aber nein, E-Mails können nicht ankommen über die semi-analoge Technik. Bleiben die guten ollen SMS, aber die Worterkennung T9 ist ausgefallen. Also drei Mal auf die 2, damit ein C erscheint. Leise Zweifel durchfluten die Kortikallappen.  Tag 2: Erste Skepsis. Seit sechs Stunden keine Tagesschau-Eilmeldung. Ich schreibe verzweifelt eine SMS an das gesamte Telefonbuch: Hallo, schreibt mir jemand? Dazu brauche ich im Zwei-Daumen-Modus genau zweieinhalb Minuten. Und die Wetter-App? Eine Runde Ameisenzerdrücken mit dem Ant-Smasher-Programm? Nein, es gibt nur Snake mit Piepstönen zum Spielen. Grausam.    Tag 3: Ehrliche Verzweiflung. Bin um 7.30 Uhr aufgeschreckt durch den SMS-Signalton. Juhu, ein Lebenszeichen! Aber es war nur der Hinweis von E-Plus auf Frei-SMS. Werde von Kollegen ausgelacht, weil ein Anruf mit dem Nokia-Tune ankommt: Didel-da-da-Didel-da-da dim dim dim ... „Mensch ist das Retro“, klopft man mir auf die Schulter. Ich gehe aufs Klo und weine ein bisschen.  Tag 4: Ruf der Freiheit. Meine Lebensgefährtin freut sich, dass ich das Handy schon drei Stunden nicht angeschaut habe. Es entsteht plötzlich Kommunikation ohne den Satz „Das google ich schnell mal“. Neue Freiheit? Tag 5: Rückfall und Ödnis. Aber es ist wie bei Ex-Rauchern: Eine Zigarette, und alles ist wieder da. Das Smartphone des Kumpels nur zehn Sekunden in der Hand. Vorbei die gewonnene Leichtigkeit. Nur noch 148 Mails checken und kurz die Welt retten? Das Nokia 1650 schaut mich traurig an. „Nein, so etwas kann ich nicht“, sagt es.

Tag 6: Katharsis. Ich bin mental völlig ausgelaugt. Geistig tot. Da hilft nur noch Immanuel Kant: „Der leere Wunsch, die Zeit zwischen dem Begehren und dem Erwerben des Begehrten vernichten zu können, ist Sehnsucht.“