Der Landkreis Esslingen steigt bei der Vergärungsanlage Leonberg ein. Zehn Millionen Euro werden investiert.

Leonberg - Auch bei 30 Grad und im Anzug ist Roland Bernhard noch nach Scherzen zumute. „Tut mir leid, hier stinkt’s. Aber das ist auch gut so“, sagt der Landrat des Kreises Böblingen zu seinem Esslinger Amtskollegen Heinz Eininger und lacht. Beide Kreis-Chefs stehen auf dem Gelände der Vergärungsanlage Leonberg und läuten eine neue Phase der Zusammenarbeit ein.

 

Bereits seit 1994 sind beide Kreise Partner beim Kompostwerk in Kirchheim unter Teck (Kreis Esslingen). „Ich habe damals schon die Eröffnungsrede für das Kompostwerk gehalten, aber nicht als Landrat sondern noch als Bürgermeister“, erzählt Heinz Eininger. Die Anlage sei damals nicht sonderlich beliebt gewesen, es habe Sorgen bereitet, welche Emissionen dabei entstehen, etwa Methangas.

Wie ein Kuhmagen

Mit ihrer Unterschrift am Mittwoch besiegeln Bernhard und Eininger nun die Gründung einer Bioabfallverwertungs GmbH und die Vertiefung der interkommunalen Zusammenarbeit. In der Vergärungsanlage am Leonberger Frauenkreuz wird der gesamte Biomüll des Landkreises fermentiert. Im vergangenen Jahr waren das 36 000 Tonnen. Dabei werden Strom und Wärme gewonnen. Die Gärreste kommen dann ins Kompostwerk Kirchheim, wo sie in einem bestimmten Verhältnis in den dortigen Bioabfall gemischt und zu Dünger und Blumenerde weiterverarbeitet werden.

„Man kann das mit einem Kuhmagen vergleichen“, meint Wolfgang Bagin, Chef des Abfallwirtschaftsbetriebes (AWB) Böblingen. „Vorn kommt das Futter rein, im Kuhmagen wird es fermentiert und hinten kommen dann Methangas und ein Kuhfladen heraus.“ So ähnlich funktioniere auch die Vergärungsanlage, nur eben mit maschineller Hilfe und viel größer.

Von den Fildern ans Frauenkreuz

Der Landkreis Esslingen hat seine Bioabfälle bislang komplett nach Kirchheim gebracht, 2018 waren das etwa 38 000 Tonnen. Nach Leonberg werden nur rund 20 000 Tonnen gebracht. „Um die Fahrtwege zu minimieren, wird dies hauptsächlich der Biomüll von den Fildern sein“, berichtet Eininger. Wolfgang Bagin rechnet mit rund 100 Tonnen pro Tag, die zusätzlich auf das Frauenkreuz geliefert werden.

Auch wenn das mehr Verkehr für den Leonberger Teilort Warmbronn und Umgebung bedeutet, so würden doch die Fahrten Richtung Kirchheim deutlich reduziert. „Und auf dem Rückweg werden dann gleich Gärreste für Kirchheim mitgenommen, es wird keine Leerfahrten geben“, verspricht der Esslinger Abfallchef Manfred Kopp. Die neue GmbH soll zum 1. Juli ihre Arbeit aufnehmen, Geschäftsführer wird Wolfgang Bagin vom AWB Böblingen. Bis der erste Biomüll geliefert werden kann, dauert es aber noch etwas. Denn die Kapazitäten in Leonberg sind derzeit ausgeschöpft.

Leonberger Anlage wird erweitert

„Wir werden einen zweiten Turm zur Fermentierung bauen, außerdem die Halle erweitern“, berichtet der AWB-Chef. Zudem muss wohl ein weiteres Segment für die Gasverarbeitung angeschafft werden. Insgesamt sollen zehn Millionen Euro in die Vergärungsanlage Leonberg investiert werden.

„Wir sind derzeit noch im Planungsstadium. Bis Ende des Jahres wollen wir die Genehmigung haben, damit wir im kommenden Jahr bauen können“, erklärt er. Für das Projekt sind zudem Fördergelder anvisiert. Der Esslinger Landrat gibt zudem ein großes Versprechen. „Aus diesen Maßnahmen folgt keine Erhöhung der Müllgebühren“, sagt Heinz Eininger.

Info: Kompost und Strom

Kooperation
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Die beiden Landkreise Böblingen und Esslingen gründen 1994 die Kompostwerk Kirchheim unter Teck GmbH, an der Esslingen bislang mit 80 Prozent und Böblingen mit 20 Prozent beteiligt war. 1996 ging das Kompostwerk in Betrieb, seitdem wird aus Bioabfällen Bio-Kompost und Blumenerde hergestellt, was wiederum verkauft wird. Mit der neuen Kooperation bei der Vergärungsanlage Leonberg ändern sich die Eigentumsverhältnisse: Esslingen behält 65 Prozent, Böblingen bekommt nun 35 Prozent am Kompostwerk. Bei der neuen Bioabfallverwertungsgesellschaft GmbH ist es genau andersherum.

Vergärung
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Ebenfalls 1994 wurde in Leonberg ein Kompostwerk auf dem Gelände der früheren Erddeponie am Frauenkreuz bei Warmbronn eingeweiht. 2004 wurde dieser Standort zur Vergärungsanlage umgebaut. Im vergangenen Jahr wurden 38 000 Tonnen Bioabfälle aus dem Kreis Böblingen hier verarbeitet. Durch die Verbrennung der dabei entstehenden Gase wurden 6899 Megawattstunden Strom erzeugt. Das entspricht einem Bedarf von 6000 Menschen für ein Jahr. Die Wärme, die bei der Vergärung entsteht, wurde ebenfalls genutzt. Hier wurden 8500 Megawattstunden verzeichnet, was einem Verbrauch von 1700 Menschen während eines Jahres entspricht. Strom und Wärme wurden vom AWB Böblingen teils selbst genutzt, teils in die Netze eingespeist.