Die Pandemie hat vieles verändert – auch unseren Arbeitsalltag. Sechs Redaktionsmitglieder erzählen davon, was es bedeutet, Lokaljournalismus auf Distanz zu machen.

Filder - Corona hat vieles verändert. Das gilt auch für die Art und Weise, wie Zeitung gemacht wird. Selten waren wir gefragter, seltener wurden wir so fleißig gelesen. Und gleichzeitig waren wir nie seltener draußen unterwegs in unserem Verbreitungsgebiet. Trotzdem ist der Kontakt zu den Menschen und auch innerhalb unseres Teams nie abgebrochen. Hier erzählen wir aus sechs verschiedenen Perspektiven, was es bedeutet, auf Distanz Zeitung zu machen. Und eines schon vorab: Die wenigsten glauben, dass nach Corona alles wieder wird wie vorher. Und das ist auch gut so. Denn wir möchten versuchen, das Beste auf Dauer zu etablieren.

 

Das Beste aus zwei Welten

Wie organisiert man eine Lokalzeitung in Coronazeiten? Und wie organisiert man die Zusammenarbeit in der Redaktion, wenn das Team im Homeoffice statt im echten Office sitzt? Die Antwort: Es geht immer irgendwie. Und nach anderthalb Jahren im Homeoffice darf ich behaupten: Es geht nicht nur irgendwie, es geht sogar überraschend gut. Waren unsere morgendlichen Besprechungen vor Corona teils nach zehn Minuten rum, dauern sie inzwischen via Videokonferenz auch mal eine Stunde. Weil es die Zeit ist, in der wir uns sehen – jedenfalls wenn alle Videos an sind.

Inzwischen hat sich unsere virtuelle Zusammenarbeit also eingespielt, ist normal geworden. Da fühlt es sich eher neu an, wenn man wieder mal an seinem Schreibtisch in der Redaktion Platz nimmt. Denn so langsam tasten wir uns heran an die Präsenz, wenn auch in kleinen Dosen und noch nicht mit allen Kollegen zeitgleich. Ist man früher ins Büro, weil man das halt musste, geht man jetzt in die Redaktion, weil man es will. Weil man sich auf den Kaffee mit der Kollegin freut, weil man für eine kleine Info keine Mail mehr schreiben muss, und weil der Flurfunk eben doch eine spannende Quelle ist.

Trotzdem trifft auch für unsere Redaktion zu, was inzwischen überall zu lesen ist: Heimarbeiter wollen nicht mehr unbedingt an allen Tagen ins Büro zurück. Sie möchten einen Mix. Hybrides Arbeit heißt das neue Zauberwort. Wie das funktioniert? Die Antwort: Es geht immer irgendwie. Und wenn man es richtig anstellt, hat man letztlich das Beste aus zwei Welten.

Wiedereinstieg in den Beruf mitten in der Pandemie

Im Juli 2019 verabschiedete ich mich in die Elternzeit. Glückwünsche zur Geburt meiner Zwillinge erhielt ich noch in Form von Umarmungen, Freunde konnten vorbeikommen und die Babys im Arm wiegen. Corona war damals eine Biermarke und nichts weiter. 18 Monate später, im Januar 2021, als ich wieder zu meinem Beruf als Redakteurin zur Filder-Zeitung zurückkehrte, war die Pandemie fester Bestandteil unser aller Leben geworden. Privat war ich inzwischen Pandemieprofi geworden und wusste, wie ich unser Leben als fünfköpfige Familie auch unter den gesetzten Vorgaben wuppen konnte. Aber im Beruf?

Wie geht Arbeiten unter Coronabedingungen? Ich fühlte mich wie eine blutige Anfängerin, als ich zu Hause mein Homeoffice einrichtete. Früher war ein Großteil unserer Arbeit als lokale Reporter gewesen, rauszugehen und mit den Leuten zu sprechen. Sich nicht nur Fakten berichten zu lassen, sondern sich selbst Eindrücke zu verschaffen, Stimmungen zu erspüren. Wie sollte das vom heimischen Schreibtisch aus funktionieren? Nah am Leser – jetzt aus der Ferne? Und wie, bitteschön, sollten wir uns als Team miteinander abstimmen, kreativ sein?

Inzwischen bin ich seit mehr als sieben Monaten zurück im Beruf und weiß: Es geht. Videotelefonate können eine Begegnung zwar nie ersetzen, aber auch über den Bildschirm lassen sich Zwischentöne heraushören. Die Absprache mit den Kollegen läuft überraschend problemlos über Telefon, E-Mail, Chat und Videokonferenzen. Zeitung kann man definitiv auch so machen – freudvoller ist es aber, wenn man sich begegnet.

Gemeinderatssitzung im eigenen Wohnzimmer

Am Anfang war das Ganze sehr gewöhnungsbedürftig. Nach vielen Stunden vor dem Computer erneut den Laptop für einen Abendtermin anzuschalten, fiel mir nicht leicht. Am nächsten Tag fühlte ich mich müde, die Augen brannten, der Kopf dröhnte. Die Sache war anfangs auch störanfällig: Manch ein Stadtrat war nur abgehackt zu hören, manch eine Stadträtin musste ganz auf ihren Beitrag verzichten, diesen schriftlich nachreichen. Immer wieder musste ich mich erneut einwählen. Manch ein Punkt dauerte deutlich länger, weil das mit dem Abstimmen und der Technik nicht zueinander passen wollte.

Die Rede ist von den kommunalpolitischen Sitzungen in Leinfelden-Echterdingen, die von November 2020 an aufgrund der damals sehr hohen Inzidenzwerte zu hybriden Sitzungen wurden. Die Mandatsträger konnten fortan auch von zu Hause aus daran teilnehmen. Sie waren nicht mehr verpflichtet, tatsächlich im Sitzungssaal Platz zu nehmen. Ich konnte ihre Debatten vom heimischen Wohnzimmer aus verfolgen.

Schlussendlich habe ich mich an diesen Umstand gewöhnt. Technisch hatte sich die Sache mittlerweile eingespielt. Zudem hat diese Art des Zuhörens durchaus Vorteile. Der Wichtigste: Familie und Beruf lassen sich so deutlich besser vereinbaren. Wenn die Fahrt – quer durch den Feierabendstau – wegfällt, bleibt mehr private Zeit. Als der Gemeinderat kürzlich wieder in Präsenz tagte, kam ich dann auch prompt zu spät. Vor der Coronakrise ist mir das fast nie passiert.

Der Blattmacher genießt zu Hause den besseren Espresso

Laptop an, noch schnell einen Espresso gemacht, und los geht’s mit der Arbeit. Ein ganz normaler Morgen im Leben eines Blattmachers? Mitnichten. Denn statt im Großraumbüro sitze ich im heimischen Arbeitszimmer – wie viele andere Kollegen. Bei mir sind es nunmehr 16 Monate. Was vor fast eineinhalb Jahren schwer vorstellbar war, ist Normalität geworden. Ein Blattmacher gehörte ins Büro, Ausnahmen gab es höchstens tageweise, waren aber selten. Das hohe Lied der Präsenz wurde auch in Redaktionen gesungen. Ist der Blattmacher (neudeutsch: Editor) doch derjenige, der die Seiten gestaltet und mit dafür sorgt, dass die Artikel der Autoren (möglichst fehlerfrei) in der Zeitung landen.

Und diese Artikel, wobei, noch mehr die Autoren, wollen behutsam behandelt werden. Denn des Schreibers Seele ist eine empfindliche. Da bedarf es der behutsamen Worte, wenn das mit viel Herzblut entstandene Werk von prosaischer Schönheit mangels Platz schmerzlich schrumpft, in den Augen des Autors schnöde gekürzt wird. Am Telefon, per Mail oder via Teams ist dann der Psychologe im Blattmacher gefragt. Wobei die räumliche Distanz keinen Unterschied zur Vor-Corona-Zeit darstellt, da den Blattmacher und den Autoren auch im Pressehaus in Möhringen zwar nicht Welten, aber immerhin ein Stockwerk voneinander trennen. Was hat sich für mich also geändert in dieser durch Corona verursachten Abkehr vom gewohnten Arbeitsalltag? Letztlich nur der Arbeitsplatz – ohne negative Folgen. Und der Espresso ist zu Hause besser!

Kennenlernen auf Distanz

Der erste Tag in einem neuen Team ist immer aufregend. Erst recht, wenn das bedeutet, die Laptopkamera einzuschalten und auf Videokacheln mit unbekannten Gesichtern zu blicken, statt zur ersten Morgenkonferenz in einen Raum voller neuer Kolleginnen und Kollegen zu treten. Entsprechend war auch der Beginn meiner Volontariatsstation bei der Filder-Zeitung mit etwas Herzklopfen verbunden.

Doch die anfängliche Aufregung legte sich schnell, denn ich kam in ein Team, das sich auf die Pandemie eingestellt hat. Recherchieren, schreiben, sich besprechen, Kaffee trinken – all das funktioniert längst virtuell. Die vielen Fragen, die man als Neuankömmling mitbringt, lassen sich zwar nicht durch einen raschen Gang ins Nachbarbüro klären, wenn fast das gesamte Team von zu Hause aus arbeitet. Dafür geht der Griff eben umso öfter zum Telefonhörer oder zur Tastatur – auch bei der täglichen journalistischen Arbeit. Auf diese Weise habe ich manche Ecke und manche Person auf der Filderebene kennengelernt. Meist jedoch, ohne sie in der realen Welt gesehen zu haben.

Seit meinem ersten Arbeitstag befinde ich mich in der skurrilen Situation, dass ich als neuer Volontär täglich ins Pressehaus komme, während sich die Büros hier nur langsam wieder füllen. Zumindest einigen Menschen regelmäßig zu begegnen, hat aber sehr dabei geholfen, mich in der Redaktion zurechtzufinden. Und irgendwann werde ich auch die Kolleginnen und Kollegen der Filder-Zeitung persönlich treffen, die ich bisher nur virtuell kennengelernt habe.

Wie füllt man Sportseiten ohne Sport?

Es war ein Montagmorgen, und Herr M. hatte einen dicken Hals. Als treuer Leser habe er in die Filder-Zeitung geschaut, und was müsse er feststellen? Kein Fußball, kein Handball, nix. Also blaffte Herr M. in den Hörer: „Habt ihr den Betrieb jetzt eingestellt?!“

Hatten wir tatsächlich, zumindest für den ersten Schreckmoment. Und das alles andere als freiwillig. Was Herr M. offenbar nicht mitbekommen hatte: Der Corona-Lockdown hatte dem Amateursport quasi über Nacht den Stecker gezogen. Nicht nur dem Fußball und dem Handball, sondern komplett. Darauf mussten auch wir uns erst einmal neu sortieren, hat es uns doch vor Fragen gestellt: Wie füllt man Sportseiten ohne Sport? Wie dreht man auf einer Glatze Locken?

Die Kollegin S. ist zum Glück Optimistin. Sie ging von höchstens zwei, drei Wochen aus. Wir haben ihr einfach mal geglaubt, ehe aus den zwei, drei Wochen sechs, sieben und acht wurden – und dann aus jenen sechs, sieben und acht Monate. Aber Not macht erfinderisch. Wir haben frustrierte Skifahrer interviewt, schimpfende Fitnessstudio-Besitzer und Tanzlehrerinnen im Homeoffice. Wir waren beim Vereinschef, dem die Mitglieder weglaufen, und beim Ruderer, der nun zu Hause im Garten rudert.

Doch mal ehrlich: Allmählich reicht’s! Wir haben einen ganz großen Wunsch: bitte, bitte endlich wieder richtiger Sport! Corona, mach dich vom Acker! Selten haben wir uns auf einen Saisonstart mehr gefreut als den aktuellen der Fußballer, deren Ball nun zur Abwechslung wieder rollen darf. Herr M. vermutlich auch. Wir nehmen es einfach mal an.