Sie assistiert Ende der 70er Jahre Hans Rosenthal, er mischt als VfB-Trainer die Bundesliga auf. Ein Rückblick auf das Promiehepaar Monika und Jürgen Sundermann.

Reportage: Frank Buchmeier (buc)

Leonberg - Seinen wichtigsten Treffer erzielt Jürgen Sundermann im Sommer 65. Auf einem Nebenplatz des Stadions am Gesundbrunnen bereitet er sich auf einen Einsatz in der Berliner Stadtliga vor, als einige Meter entfernt ein knallroter VW Karmann Ghia parkt. Sundermann erspäht hinterm Steuer eine fesche Blondine. Schlichte Gemüter würden nun auf zwei Fingern pfeifen, um Aufmerksamkeit zu erhaschen. Sundermann, leichtfüßiger Hertha-Spielmacher mit Abitur und frisch erworbenem Sportlehrerdiplom, schnappt sich stattdessen den Ball und zirkelt ihn mit dem Innenrist ins geöffnete Cabrio. So kommt er mit der unbekannten Schönen ins Gespräch.

 

16 994 Tage später und 513 Kilometer südwestlich schwelgt Monika Sundermann in Erinnerungen: Als sie ihren Jürgen kennenlernte, war er ein echter Draufgänger. Bei der ersten gemeinsamen Urlaubsfahrt lenkte sie den VW, weil er nach einer feuchtfröhlichen Vereinsfeier seinen Führerschein hatte abgeben müssen. Unter der Sonne Spaniens entstand der erste Sohn Marc, wodurch eine Hochzeit geboten schien – ausgerechnet, nachdem sie kurz zuvor von Hans Rosenthal für Funk und Fernsehen entdeckt worden war. Ihre erste Sendung, noch unter dem Geburtsnamen Monika Nehls, hieß „Gut gefragt ist halb gewonnen“ und wurde bei Rias ausgestrahlt.

Nimmt man die Medienpräsenz als Maßstab für das berufliche Fortkommen, eilt Monika Sundermann zu jener Zeit ihrem Kickergatten mit Siebenmeilenstiefeln davon. In der ZDF-Unterhaltungsshow „Dalli Dalli“ sorgt sie als umsichtige Assistentin dafür, dass sich der Quizmeister Rosenthal auf seine Kandidaten konzentrieren kann. Acht Prominente kämpfen gegen die Uhr und um Punkte, sammeln Flussnamen, bauen Kartenhäuser oder etikettieren Weinflaschen. Wenn sich ein Kandidat bei einem Spiel besonders clever anstellt, springt Rosenthal in die Luft und ruft „Das war Spitze!“, während die blonde Fee Monika still und leise die Zeit kontrolliert. Zwischendrin haut Heinrich Riethmüller in die Tasten, oder das Medium-Terzett singt „Ein Loch ist im Eimer“. Allmonatlich verfolgen zwanzig Millionen Zuschauer die Live-Show.

Spieler, Coach und Vater

Unterdessen gewinnt Jürgen Sundermann mit dem FC Basel zwei Mal die Schweizer Meisterschaft, was in seiner deutschen Heimat aber kaum jemand registriert. Wenn die Gattin mal wieder für ein paar Tage nach Berlin oder Wien geflogen ist, um mit Hänschen Rosenthal die nächste Sendung vorzubereiten, kümmert sich der Profikicker um die beiden Söhne. Anfang der 70er Jahre übernimmt er bei Servette Genf zusätzlich das Traineramt. Die Mehrfachbelastung – Spieler, Coach, Vater – wuppt er locker. Wer als Kriegskind im Kohlenpott, in Mülheim an der Ruhr, geboren wurde, jammert nicht, sondern malocht.

1976 fahndet Gerhard Mayer-Vorfelder, Präsident des VfB Stuttgart, nach einem gradlinigen Schaffer. Die Kicker mit dem roten Brustring kriechen durch die Niederungen der zweiten Liga, auf dem Traditionsverein lasten Millionenschulden, und seine Anhänger wenden sich mit Grausen ab. Gesucht wird ein neuer Besen, der gut kehrt und wenig kostet. Sundermann sagt zu, der Vertrag wird im Genfer Nachtlokal „Moulin Rouge“ besiegelt. Nicht nur der kühle Schampus ermuntert Sundermann zur Unterschrift, sondern auch die wonnige Erinnerung an sein einziges A-Länderspiel, das er am 23. März 1960 beim 2:1-Sieg gegen Chile neben Größen wie Uwe Seeler, Karl-Heinz Schnellinger und Helmut Rahn im Neckarstadion bestritt. Trainer war Sepp Herberger, die Hütte mit 73 000 Zuschauern bis unters Dach gefüllt.

Als Jürgen Sundermann am 1. Juli 1976 das Neckarstadion als VfB-Coach betritt, verlieren sich 13 000 Menschen in der Betonschüssel. Seine Gattin Monika nimmt auf der Ehrentribüne Platz, doch als sie mitbekommt, mit welchen Begriffen ihr Schatz vom gemeinen schwäbischen Fußballvolk begrüßt wird („Sauseggl, Grasdackel, Rendviech“), beschließt sie, die Partien künftig lieber daheim vor dem Radio zu verfolgen.

Sie hört nur Gutes: Der VfB steigt in die Bundesliga auf, wird auf Anhieb Vierter, stellt einen Zuschauerrekord auf, erspielt sich in der Saison 1978/79 sogar die Vizemeisterschaft. Die Förster-Brüder machen hinten den Laden dicht, Hansi Müller spinnt im Mittelfeld die Fäden, Schorsch Volkert wirbelt auf der linken Außenbahn, Dieter Hoeneß hält vorne den Dickschädel hin, und die Fans skandieren: „Sundermann – Wundermann.“ Der Trainer ist mit 39 Jahren ganz oben.

Wunder lassen sich nicht wiederholen

Die Kehrseite des Erfolgs: der Fußball überlagert das Private. Eines Tages, als Jürgen Sundermann seinen Sohn in die Schule fährt, sagt Marc: „Mit dir kann man nicht mehr richtig reden.“ Um den Rabenvatervorwurf zu entkräften, tritt der Karrieremacher voll auf die Bremse, sagt Stuttgart überraschend ade und zieht zurück in die beschauliche Schweiz, wo sich Beruf und Familie erfahrungsgemäß besser vereinbaren lassen.

Bereits nach einem Jahr bei Grashoppers Zürich legt Jürgen Sundermann den Rückwärtsgang ein. „Mir fehlt die Droge Bundesliga“, verkündet er. Große Vereine stehen Schlange – Frankfurt, Schalke, Hertha –, aber Sundermann setzt sich wieder in Cannstatt auf die Bank und kauft zwanzig Kilometer vom Neckarstadion entfernt ein Haus in Leonberger Höhenlage.

Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen, und Wunder lassen sich nicht wiederholen: Jürgen Sundermann gelingt es nicht, beim VfB abermals ein Feuer zu entfachen. Die Spieler sind satt, sie wollen ihm nicht mehr bedingungslos folgen. Im Sommer 81 gibt Sundermann in Cannstatt seinen Abschied bekannt, um anschließend nach einem neuen großen Fußballglück zu suchen. Er findet es nicht. Seine Stationen im Schnelldurchlauf: Stuttgarter Kickers, Schalke 04, Racing Straßburg, Trabzonspor, Hertha BSC, Unterhaching, VfB Leipzig, Waldhof Mannheim, erneut VfB Leipzig, Sparta Prag, ein letztes Mal VfB Stuttgart, Tennis Borussia Berlin, Club Sportif Sfaxien und schließlich Vorwärts Steyr.

Sein Familienleben spielt sich in all den Jahren überwiegend in den Winterurlauben ab. Nach zwei bis drei Wochen Skifahren mit seinen Liebsten turnt der Fußballlehrer wieder irgendwo an der Seitenlinie herum, schreit, flucht, leidet, triumphiert, jubelt. Der Ort, an dem er eigentlich mit Frau und Kindern Wurzeln schlagen wollte, ist für ihn bloß ein Basislager. Ab und an schaut er in Leonberg vorbei, um die Wäsche zu wechseln.

Monika Sundermann macht das Nomadendasein nicht mit. Sie hütet das Eigenheim und führt die Söhne in Richtung Abitur, Universität und Journalistenschule (Marc ist heute Anwalt bei Bertelsmann in Brüssel, Leif Sportredakteur bei der Bildzeitung in Frankfurt). Nebenbei assistiert sie wie gewohnt Hans Rosenthal sowie nach dessen Krebstod dem ähnlich populären Dieter Thomas Heck. Als sich Heck Ende 2007 vom Bildschirm verabschiedet, ist auch für die treue Gehilfin die Fernsehkarriere beendet.

Ein Promipaar außer Dienst

Seither sind die Sundermanns ein Promipaar außer Dienst. Das Leonberger Eigenheim mit dem großen Grundstück haben sie vor fünf Jahren gegen eine pflegeleichtere Wohnung im Mahdental getauscht, direkt neben der Gärtnerei Kriesten. Vor den Fenstern grünt und blüht es.

Monika Sundermann, 67, sagt, dass sie froh sei, das Showbusiness weit hinter sich gelassen zu haben. Sie geht ausgiebig mit der Hündin vom Nachbarn spazieren und freut sich, wenn in den Schulferien der neunjährige Enkel Yannis zu Besuch kommt. Jürgen Sundermann, 73, kann noch immer nicht ohne seinen Sport. Fast täglich fährt er nach Freiberg am Neckar, um frühmorgens an der Oscar-Paret-Schule Nachwuchskicker auszubilden. Wenn er nach getaner Trainerarbeit gegen zehn heimkommt, fragt er manchmal: „Na Schätzchen, hast du schon einen Plan für heute?“ Das Schätzchen antwortet: „Nein.“

Solche Beziehungskomödien führt das Ehepaar ungeniert auch vor Publikum auf. Jürgen Sundermann lehnt sich auf dem Sofa zurück und tut kund, dass er es seltsam finde, wenn sich Männer küssen. Woraufhin sie ihm erklärt, dass Homosexualität völlig normal sei und sie viele nette Schwule kenne: „Die Jungs vom Fernsehballett! Oder der Jürgen Marcus! Und der Patrick Lindner!“ Nichts gegen Tänzer und Schlagersänger, meint er, aber in seiner Welt kämen nur echte Kerle vor, die sich mit einem frisch gezapften Pils erfrischten und weibliche Reize schätzten.

Neben unterschiedlichen Ansichten, die das tolerante Paar nicht trennen, stehen gemeinsame Erfahrungen, die es tief verbinden. Etwa der letzte Besuch bei Hans Rosenthal. Als der Meister der Familienunterhaltung Anfang 87 auf dem Totenbett lag, schimpfte er lauthals über den Umstand, dass er nach nur 61 Jahren die Welt verlassen sollte: „Kacke, Pisse, Arsch.“ Der Spruch gefällt Monika Sundermann, der Blondine mit der Berliner Schnauze, und ihrem Jürgen, dem Fußballverrückten aus dem Ruhrpott. Immer gerade heraus.