Seit 15 Jahren ist Volker Kugel Chef des Blühenden Barocks in Ludwigsburg. Doch bei genauer Betrachtung muss man feststellen: Kugel ist ein Barockstar - mit eigenem Fernsehgarten im SWR.

Region: Verena Mayer (ena)

Ludwigsburg - Blühendes Barock, Unterer Ostgarten. Auf der Wiese stehen drei Kameras und zwei Scheinwerfer. Eine junge Frau tupft Volker Kugel Puder ins Gesicht und zupft das Polo-Shirt unter seinem Pulli zurecht. Schaulustige schießen Fotos. Später wird eine Frau um ein Autogramm bitten. An anderen Tagen bitten Zaungäste um Tipps gegen die weiße Fliege in den Geranien oder den Rüsselkäfer im Efeu. Es kam auch schon vor, dass ein Zuschauer fortgeschickt wurde, weil er nicht aufhören wollte, das Filmteam zu filmen.

 

So ist das, wenn Volker Kugel arbeitet. Immer was los und er mittendrin.

Volker Kugel ist eigentlich der Direktor des Blühenden Barock – kurz Blüba – in Ludwigsburg. Doch bei genauer Betrachtung muss man feststellen: Volker Kugel ist ein Barockstar mit eigenem Fernsehgarten. Seit acht Jahren dreht der SWR „Grünzeug“ in Ludwigsburg. Das ist eine Sendung, die Lust auf Garten machen soll.

Anfangs war Kugel ab und zu als Mann vom Fach gefragt. Inzwischen ist er Co-Moderator mit eigens gezüchteter Rubrik: In „Kugel kommt“ darf er zeigen, dass auch an einem steilen Hang ein Garten grünen kann, oder den Raketenwacholder als pflegeleichte Alternative zu Zypressen loben. Kugel hält auch Vorträge in Büchereien, Vereinsheimen oder Gemeindesälen. Er darf im Radio Geschenkideen für Weihnachten preisgeben und wird als Attraktion für Tage der offenen Tür bei Gärtnereien angepriesen: „Der Fernsehgärtner kommt!“

Das Matterhorn aus Kürbissen

„Alle bereit?“, fragt der Regisseur. Alle bereit. „Grüezi aus der Schweiz“, spricht Volker Kugel in die Kamera. Er sitzt auf einem Strohballen. Hinter ihm türmen sich 30 Tonnen Kürbisse zum Matterhorn. Neben ihm stehen das Heidi, der Geißen-Peter und der Alm-Öhi aus Holz. Ein echter Berner Sennenhund namens Gero ist auch da.

Die kleine Schweiz ist dieses Jahr das Thema der weltgrößten Kürbisausstellung. Gero will Leckerli, Kugel will, dass er still sitzt. Gero macht sich über die Deko aus Kürbissen her, Kugel macht, dass er das sein lässt. Gero hält es nicht am Platz, Kugel hält ihn fest. Erst muss der Hund sein grünes und sein blaues Auge in die Kamera halten. „Ein prachtvolles Tier“, sagt die Chefmoderatorin Andrea Müller über den Hund, der diese „Grünzeug“-Folge noch schweizerischer machen soll. Ihr Kollege erklärt nebenbei, wie man aus einem Kürbis eine Rassel bastelt. Ratsch, da ist der rasselnde Kürbis entzweigebissen – von dem verfressenen Gero. „So sieht der Kürbis also von innen aus“, fällt Kugel rasch ein. Er lacht und ahnt: die Sendung wird wieder klasse werden.

Mehr als 300 000 Menschen schalten für das „Grünzeug“ jeden Dienstagabend den Fernseher ein. „Das ist eine super Werbung fürs Blüba“, sagt der Direktor. Und für ihn. Neulich im Italienurlaub, erzählt Kugel, habe auf einem Marktplatz plötzlich ein Bub gerufen: „Guck mal, Mama! Da ist der Mann aus der Sendung, die die Oma immer sieht.“ Und am Abend in der Hotelbar tauchte ein Schweizer auf und fragte: „Sind Sie der Volker Kugel?“

„Wir sind einfach gut“

An rund 50 Tagen im Jahr steht dieser Volker Kugel vor der Kamera. Er hat sich seine Marketingmaßnahmen vom Blüba-Aufsichtsrat genehmigen lassen. Die Vertreter von Stadt und Land, denen das Blühende Barock gehört, halten große Stücke auf ihn. Vor drei Jahren haben sie ihn sogar zum Qualitätsmanager für das Ludwigsburger Porzellan ernannt. Er sollte sicherstellen, dass die neuen russischen Eigentümer der Traditions-Manufaktur mit dem schwäbischen Kulturgut nichts machen, was Stadt und Land missfallen könnte. Dass der Kontrolleur Kugel nicht weiß, wo rund 1200 wertvolle Gussformen geblieben sind, nehmen ihm die Räte nicht übel. Die Lage sei verworren, doch sein Kerngeschäft meistere er hervorragend.

Als der studierte Gartenbauer die Gartenschau vor 15 Jahren übernahm, wurde sie pro Saison von 470 000 Tagesgästen und 28 000 Dauerkartenbesitzern besucht. Heute pilgern bis zu 540 000 Tagesgäste und 38 000 Dauergucker über das Gelände. Der Umsatz stieg von 2,5 Millionen auf 4,5 Millionen Euro. Der Zuschuss sank von 1,1 Millionen Euro auf aktuell 975 000 Euro, und er wird weiter sinken. „Wir sind einfach zu gut“, sagt der Geschäftsführer.

Vor dem Heidi, dem Geißen-Peter und dem Alm-Öhi steht nun ein Tisch. Der Regisseur lässt Kürbis-Pizza darauf drapieren, Kürbis-Schnitzel, Kürbis-Muffins, Kürbis-Burger, Kürbis-Chutney. Die Kürbis-Käpsele im Blüba können nicht nur das Matterhorn oder eine Hütte für Heidi aus Gemüse bauen.

Viele halten ihn für toll, manche für zu selbstdarstellerisch

„Stoooop“, ruft der Regisseur. Einige der schaulustigen Damen sind naschlustig geworden. Dabei werden die Spezialitäten für die nächste „Grünzeug“-Szene benötigt. „Die sind noch begehrter als du“, sagt ein Kameramann zu Kugel. „Das jüngste Schneggle ist 67“, scherzt der 53-Jährige über seine weiblichen Fans. „Deshalb bleibt meine Frau auch so ruhig.“ „Er isch so nadierlich“, schwärmt eine Seniorin mit Stock hinter der Absperrung. „Und er gibt gute Tipps“, meint eine andere. Wahrscheinlich würden nicht wenige der „Grünzeug“-Gucker Volker Kugel auch eine Heizdecke oder ein Dreirad abkaufen.

Wenn Kugel über sich spricht, sagt er Sätze wie: „Wenn ich nicht da bin, heißt das nicht, dass ich nicht da bin. Die modernen Kommunikationsmöglichkeiten machen mich total ruhig.“ Das sagt er, weil er weiß, dass seine Fernsehpräsenz bisweilen Fragen nach seiner Blüba-Direktorenpräsenz aufwirft. Volker Kugel sagt auch: „Ich bin kein toller Typ. Ich mache nur meine Arbeit mit Enthusiasmus und Herzblut.“ Das sagt er, weil er weiß, dass ihn viele für toll halten – und manche für etwas zu selbstdarstellerisch veranlagt.

Und Kugel sagt: „Wir sind keine Ideenerfindungsagentur.“ Das sagt er, weil man es glauben könnte: Der Direktor und seine 85 Mitarbeiter haben das Straßenmusikfestival erfunden, das jeden Sommer 40 Bands ins Blühende Barock bringt und 30 000 Besucher. Unter seiner Führung gediehen die barocken Gartentage (eine Messe), die Retro-Classics meets Barock (eine Oldtimershow) und der Lichterzauber (ein Feuerwerk).

Zwischen Flamingos und Rapunzel

Er hat dafür gesorgt, dass das Blühende Barock zum Schauplatz einer Außenwette von „Wetten dass..?“ wird, und dafür, dass der größte Lebkuchen der Welt nicht nur im verschneiten Park gebacken, sondern auch im Fernsehen inszeniert wird. „Wenn man das noch mal anschaut, muss man heute noch heulen, weil’s so schön war“, schwärmt Kugel, der – natürlich – auch die Kürbisausstellung nach Ludwigsburg geholt hat. Als die Gemüseschau vor zwölf Jahren zum ersten Mal als Attraktion angekündigt wurde, sind Kugel und seine Züchterkünstler belächelt worden. Heute kommen allein deshalb 150 000 Tagesgäste binnen sieben Wochen.

„Danke!“, ruft der Regisseur. Geschafft. Die neue „Grünzeug“-Folge ist im Kasten. Es ist Freitagnachmittag. Kugel spurtet ins Parkcafé. Dort wartet eine Gruppe Steuerberater auf ihn. Ein Freund aus dem Tennisclub macht mit seinen Mitarbeitern einen Betriebsausflug. Kugel wollte sie mit Sekt begrüßen. Doch die Steuerberater entschieden sich für Kaffee und Kuchen. Die Führung mit dem Direktor durch seinen Park wird auch ohne Alkohol lustig. „Diese Flamingos nennt man Rampenschweine“, sagt Kugel vor einem Flamingoteich. „Sie kommen immer da hin, wo eine Kamera ist.“ Lachen. „Was dem Herzog an diesem Tunnel gefallen hat, kapier’ ich nicht“, sagt Kugel vor einem kitschigen Durchgang, den der dicke Friedrich anno 1800 anlegen ließ. Lachen. „Mich hätte dieser Zopf meinen Job gekostet“, sagt Kugel beim Blick auf Rapunzel, die ihr Flachshaar aus einem steinalten Turm baumeln lässt – für den Märchengarten ignorierte einer seiner Vorgänger im Jahr 1959 den Denkmalschutz. „Das war frech.“ Lachen.

Früher, berichtet Kugel, habe er sich beinahe in die Hose gemacht, wenn er vor mehr als fünf Personen sprechen sollte. Früher war Kugel ein „verhuschter Kerle“ aus Stammheim bei Calw, der Jüngste von drei Kindern, spielte Handball in der Oberliga und wusste nach dem Abitur nicht, was er werden wollte. Ein Berufsberater schlug ihm eine Lehre als Baumschulgärtner vor. Er absolvierte sie – und war in seinem Element. Anschließend studierte Kugel Gartenbau, arbeitete als Abteilungsleiter in einem Gartencenter und durfte von 1989 an Landesgartenschauen organisieren. Er war zum Geschäftsführer der landeseigenen Förderungsgesellschaft geworden. Acht Jahre später bekam er in Ludwigsburg seine eigene Gartenschau – wo er schließlich von Martin Born alias Gärtner Gießbert für den SWR entdeckt wurde.

Preisgekrönt und werbewirksam

Er sei seinem Berufsberater von einst sehr dankbar, sagt Kugel, dessen Ruhm sich kontinuierlich mehrt. Die Fachhochschule Weihenstephan zeichnete ihren früheren Studenten mit dem Hans-Bickel-Preis aus: weil er so viel Gutes für den Berufsstand getan habe. Die Brauerei Dinkelacker lichtete ihn mit einer hauseigenen Tulpe ab und hängte die Werbeplakate im ganzen Land auf. „Von ganzem Herzen Ludwigsburger“ stand über Volker Kugel. Obwohl er in Weissach lebt, also im Kreis Böblingen. Und jüngst hat der Aufsichtsrat den Vertrag mit seinem omnipräsenten Fernsehgärtner um weitere fünf Jahre verlängert. Zum dritten Mal.

So ist das mit Volker Kugel. Immer was los und er mittendrin.