Im Prozess um den Tod einer jungen Frau in Backnang will das Landgericht Stuttgart am Freitag zu einem Urteil kommen. Die Verteidigung spricht von einer Tat im Affekt.

Mord oder Totschlag in minderschwerem Fall? Lebenslange Freiheitsstrafe oder vier Jahre Haft? Über diese Fragen will die 19. Große Strafkammer des Landgerichts Stuttgart am Freitag entscheiden. Das hat der Vorsitzende Richter Norbert Winkelmann am Mittwoch nach den ersten Plädoyers der Staatsanwaltschaft, der Nebenklage und des Wahlverteidigers des 30 Jahre alten Mannes bekannt gegeben, der Anfang Mai 2021 in Backnang seine Partnerin mit einem Messer getötet hat.

 

Der Angeklagte hat die Tat mehrfach gestanden

Die Tat an sich ist nicht umstritten, der Angeklagte hat sie mehrfach gestanden. Doch in der Bewertung des Geschehens unterscheiden sich Staatsanwalt Wolfgang Friedrich und Rechtsanwalt Detlef Kröger enorm. Für die Anklage hat der damals 29-Jährige die vier Jahre jüngere Frau, mit der er nach islamischem Recht verheiratet war, ermordet. „Das war eine geplante Tat“, sagte Friedrich in seinem Plädoyer, „die mit dem Kauf des Messers an diesem Morgen ihren Ausgang nahm.“ Das Motiv sieht der Staatsanwalt in dem Umstand, dass die Frau ihren Partner bei der Polizei wegen dessen falscher Identität angezeigt hatte. Der türkische Staatsbürger hat sich 2016 als syrischer Flüchtling einen Aufenthaltstitel in Deutschland erschlichen.

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Später ist die Anzeige wieder zurückgezogen worden, doch eine anstehende Zeugenaussage der jungen Frau und eine von der Polizei geforderte erkennungsdienstliche Behandlung des jungen Kurden haben diesen nach Ansicht der Anklage enorm unter Druck gesetzt. Für Staatsanwalt Friedrich ein „Femizid“, eine Bestrafung der Frau. Er sieht in den Gutachten der Gerichtsmedizin und eines psychiatrischen Sachverständigen Belege für Vorsatz, Heimtücke und niedrige Beweggründe und fordert deshalb eine lebenslange Haftstrafe. Die Einlassung des Angeklagten, dass er die Frau im Affekt getötet habe, hält der Staatsanwalt für nicht glaubwürdig.

Das Ehepaar hat ständig gestritten

Verteidiger Kröger hält den 30-Jährigen dagegen nicht für einen „eiskalten Mörder“, sondern als einen „zutiefst Verzweifelten“. Der Anwalt bezweifelt, dass die Anzeige der Frau der Grund für die Tat war und zeichnete in seinem Plädoyer das Bild eines jungen Mannes, den alle als freundlich und fleißig beschreiben, der bis zu dieser Nacht Anfang Mai keinerlei Aggression habe erkennen lassen und der mit seiner Partnerin eine Art „Strindberg-Ehe“ geführt habe. „Sie haben sich die ganze Zeit gestritten.“

Kröger erinnerte daran, dass der Tat eine zweiwöchige Corona-Quarantäne vorausgegangen war, in der das Paar auf engem Raum zusammenleben musste. Dass der Angeklagte die ganze Nacht wegen eines Streits nicht geschlafen hatte, dass er vor der Tat mindestens 0,4 Liter Wodka getrunken hatte und dass er und seine Familie von der Frau immer wieder schwer beleidigt worden seien. „Er hat mehrmals versucht, sich nach der Tat das Leben zu nehmen“, sagte Kröger. Nach Ansicht der Verteidigung kann sich ein Affekt auch über längere Zeit aufbauen und die kurz vor der Tat ausgesprochene Erniedrigung des Mannes als „Hurensohn“ und einer, der „keine Eier“ habe, sei dann der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Kröger plädiert deshalb auf Totschlag in einem minderschweren Fall und forderte vier Jahre Haft für seinen Mandanten.