Auf offener Straße bricht ein Streit aus, und dann fallen Schüsse: Was steckt hinter der Bluttat in Schönaich, bei der ein Gastronom und Bauunternehmer schwer verletzt wurde? Einen ersten Tatverdächtigen hat die Polizei jedenfalls schon mal.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Schönaich - Wem haben diese Schüsse gegolten? Dem Betreiber des „Texas“-Lokals, dem man in Wildwestmanier die Tageseinnahmen rauben wollte? Oder dem Chef eines neu gegründeten Böblinger Bauunternehmens, mit dem man aus finanziellen Gründen in heftigen Streit geraten war? Oder galten die Schüsse einem Landsmann, den Gewalttäter albanischer oder kosovarischer Abstammung ins Visier genommen hatten?

 

All das verkörpert ein 33-Jähriger, der in der Nacht zum Dienstag in Schönaich (Kreis Böblingen) auf offener Straße vor einem Lokal niedergeschossen und schwer verletzt wurde. Der Bluttat in der Böblinger Straße am Ostermontag um 22.55 Uhr war ein lautstarker Streit vorausgegangen. Das sagen jedenfalls Nachbarn, die Ohrenzeugen des Zwischenfalls an der Einmündung der Lindenstraße wurden. Ein Hinweis darauf, dass sich Täter und Opfer offensichtlich kannten.

Bald wird ein erster Tatverdächtiger festgenommen

Am Tatort, halb auf dem Gehweg, verkehrswidrig gegen die Fahrtrichtung abgestellt, bleibt ein weißer Mercedes zurück, ein Geschäftswagen des 33-Jährigen. Vor dem Eingang des Lokals „Texas Lounge“ hatten sich die dramatischen Ereignisse abgespielt. Die später aufgestellten nummerierten Tafeln der Kriminaltechniker lassen den Verlauf erahnen: Von der Beifahrertür weg geht es auf die andere Seite der Lindenstraße, und auf dem Gehweg sammeln sich die Polizeitafeln, die Patronenhülsen, die Blutflecken. Das Opfer wurde mit mehreren Schüssen niedergestreckt.

Die Täter konnten zunächst entkommen. Eine Fahndung der Polizei blieb ohne Erfolg, auch ein Polizeihubschrauber kreiste vergebens über dem Tatort. „Wir können zu Tätern und Motiven nichts sagen“, erklärt Polizeisprecher Peter Widenhorn. Am Dienstagnachmittag geben Polizei und Staatsanwaltschaft bekannt, dass bereits eine halbe Stunde nach der Tat ein erster Tatverdächtigen festgenommen worden sei. Er hatte sich selbst gestellt.

Der Tatort ist kein Zufall

Der 36-Jährige kosovarischer Abstammung gab sich als Beteiligter der Auseinandersetzung zu erkennen. Er wurde am Montag um 23.30 Uhr festgenommen. Geschossen habe er aber nicht, soll der Mann erklärt haben. Für die Ermittler gilt er offenbar auch nicht als Hauptverdächtiger: „Wir haben gegen ihn keinen Haftbefehl beantragt“, sagt Heiner Römhild, Sprecher der Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Weil die Ermittlungen laufen und noch weitere Zeugen zu vernehmen seien, „machen wir keine Angaben zum Ablauf und möglichen Grund der Auseinandersetzung“, sagt Römhild. Ob die Tatwaffe sichergestellt wurde und der mögliche Schütze bekannt ist – auch dazu schweigt der Staatsanwalt.

Der Tatort war freilich kein Zufall. Das Opfer war dort von 2012 bis 2017 Geschäftsführer, ehe die gleichnamige Gesellschaft formal wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht wurde. Das Lokal existierte freilich weiter – und war besonders für seine Silvesterpartys im Ort bekannt. Von Beschwerden über Lärm und Ruhestörungen ist nichts bekannt, und die Gemeindeverwaltung mochte wegen der laufenden polizeilichen Ermittlungen auf Anfrage keine Angaben machen.

Als Gastronom im Visier – oder als Bauunternehmer?

In der Nachbarschaft machte jedenfalls die Frage die Runde, warum der 33-Jährige mit seinem Wagen vors Lokal gefahren war – wo er doch in unmittelbarer Nähe wohnte. „Offenbar war er am Abend auf Rundtour bei seinen Lokalen“, wurde gemutmaßt. Ob er als Gastronom ins Visier geraten war oder als Prokurist eines neu gegründeten Bauunternehmens in Böblingen – diese Frage bleibt vorerst unbeantwortet.

Verstörend wirkt allerdings ein Videobeitrag, der auf der Facebook-Seite des Lokals am Tag vor den Schüssen, am Ostersonntag, eingestellt wurde – nachdem es sonst monatelang offenbar keine berichtenswerte Neuigkeiten gegeben hatte. Das Video zeigt Schießübungen auf einem Gartengrundstück, und beim dritten Schuss wird eine Flasche oder Dose getroffen. Die Szene wird noch ironisch kommentiert: „Drei Schuss sind zwei zuviel, Bruder.“ Am Tag darauf wird aus einem Schusswaffengebrauch lebensgefährlicher Ernst.