Bobby Schagen spielt seit dieser Saison beim TVB Stuttgart (an diesem Mittwoch gegen die Rhein-Neckar Löwen), seine Freundin Tess Wester steht in Bietigheim im Tor. Beide haben große Ziele.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Bietigheim - Tess Westerhat einen scharfen Blick. Den braucht sie auch als Handball-Torhüterin. Und so entgeht ihr beim Gespräch in einem Bietigheimer Lokal auch nicht, dass dem Kellner beim Schreiben der Tageskarte ein Fehler auf der schwarzen Wandtafel unterläuft: Bei „Currywurt“ fehlt das „S“.

 

Diese kleine Episode spricht aber auch dafür, dass die 23-Jährige voll integriert ist ins tägliche Leben. Sportlich – und sprachlich. Wester stammt aus den Niederlanden, genau wie ihr Freund Bobby Schagen. Doch damit nicht genug der Parallelen. Beide spielen auch Handball, und das recht erfolgreich. Sie bei der SG BBM Bietigheim, dem aktuellen Tabellenführer der Bundesliga. Er beim TVB Stuttgart, für den es primär um den Klassenverbleib in der stärksten Liga der Welt geht. „Das wäre für uns so etwas wie der Meistertitel“, sagt der 26-Jährige vor dem Heimspiel an diesem Mittwochabend (20.15 Uhr) in der ausverkauften Scharrena gegen den deutschen Meister Rhein-Neckar Löwen aus Mannheim.

Den Titel strebt bei den Frauen in dieser Saison die SG BBM an, daran lassen weder Verein noch die Torhüterin einen Zweifel: „Ich will alles gewinnen.“ Meisterschaft, Pokal – vielleicht sogar EHF-Cup. „Sonst könnte ich in Holland spielen.“ Wie früher, was ihr ja durchaus geholfen hat. Zumindest privat. Denn ohne den Sport hätte es auch in der Liebe nicht gefunkt.

Bobby Schagen verwandelt fast jeden Siebenmeter

In einem holländischen Leistungszentrum in Arnheim sind die beiden sich über den Weg gelaufen. Immer montags, als das Junioren-Nationalteam da war, mit dem feschen Schagen. Der stach Wester sofort ins Auge. Und weil beide den gleichen Physiotherapeuten hatten, diente der als Vermittler – oder sollte man sagen Verkuppler? „Irgendwann habe ich zu ihm gesagt: das ist ein toller Kerl, kannst du da nicht mal was machen?“, erinnert sich Tess Wester.

Die Liebe hält bis heute, schon siebeneinhalb Jahre lang. Und sie hat seit diesem Sommer eine neue Facette bekommen. Erstmals wohnen beide zusammen, in Metterzimmern. Im Haus, in dem Wester zuvor in einer WG gelebt hat, wurde zufällig eine Wohnung frei, das passte perfekt.

Wie auch Schagens Wechsel von Lübbecke nach Stuttgart: „Das war keine schwere Entscheidung für mich.“ Nicht nur aus den privaten Gründen, auch sportlich. Schagen kannte den TVB schon aus gemeinsamen Zeiten in der zweiten Liga, wo er jahrelang für Nordhorn spielte. „Es ist ein ambitionierter Verein, bei dem noch viel möglich ist.“ Der Rechtsaußen trägt seinen Teil dazu bei, innerhalb von ein paar Wochen hat er seinen Vorgänger Michael Spatz vergessen lassen, und der war immerhin Stuttgarts bester Werfer und der fünftbeste der ganzen Liga. Schagen steht aktuell ebenfalls auf Platz fünf (46 Tore), in der Liste der Siebenmeterschützen führt er sogar mit einer Trefferquote von 95 Prozent – und er leistet sich auch aus dem Spiel heraus kaum mal einen Fehlwurf, so dass er meist 60 Minuten durchspielt.

Tess Wester ist Vizeweltmeisterin und Olympiavierte

Bietigheim hat noch drei weitere Torhüterinnen, wobei Ann-Cathrin Giegerich nach einem Kreuzbandriss erst wieder im Aufbautraining steckt. „Wenn man große Ziele hat, braucht man einen großen Kader, und Konkurrenz schadet nie“, sagt Wester selbstbewusst. Das kommt nicht von ungefähr. Schließlich wurde sie mit Holland zuletzt Vizeweltmeisterin – und Vierte bei Olympia: „Rio war schon ein besonderes Erlebnis.“ Auch weil seit der WM-Medaille alle Spiele live im Fernsehen übertragen werden. „Das gab es früher nicht“, wirft Schagen fast etwas neidisch ein.

Die Medienpräsenz führte die Frauen in eine neue Dimension. Wenn Wester zu Hause auf die Straße geht, vergeht kein Tag, ohne dass sie angesprochen wird oder für ein Foto posieren muss. „Ich will nicht meckern“, sagt sie – und freut sich doch wieder auf Bietigheim. „Hier ist es ganz anders.“ Ruhiger, gemütlicher. Obwohl die SG-Frauen sportlich ein Aushängeschild der Stadt sind kann man in Ruhe einen Kaffee trinken oder spazieren gehen, .

Bobby Schagen trat als Kind in die Fußstapfen des Vaters, der schon Handballer war. Mit vier Jahren begann er bei Aristos Amsterdam, das jetzt in der zweiten Liga spielt. Der Spieler selbst will mit der Nationalmannschaft auch mal zu einem großen Turnier, „das ist mein Traum“. Der ist für die Freundin fast schon selbstverständlich. Was den Nachteil hat, dass man sich als Handball-Paar manchmal wochenlang nicht sieht. Im Dezember sind die Frauen bei der EM in Schweden, die Männer haben ihre Länderspiele erst im Januar. Folge: die Weihnachtszeit als Single. Da springen dann mal die Eltern ein, zuletzt schaute Mama Schagen in Stuttgart (und beim Volksfest) vorbei. Und ein Besuch der Heimspiele des Partners ist Pflicht, sofern es Zeit erlaubt. So wie an diesem Mittwoch, wenn die Rhein-Neckar Löwen kommen.