Der Dagersheimer Kirchengemeinderatsvorsitzende hat aber auch Unterstützer im Kirchenbezirk. Ein Fünftel der Synodalen wollte ihn ins Gremium wählen.

Böblingen - Kann der Vorsitzende eines Kirchengemeinderats führendes Parteimitglied der AfD sein? Diese Frage beunruhigt momentan den evangelischen Kirchenbezirk Böblingen. Am vergangenen Freitag kam es bei der Sitzung der Bezirks-Synode, der Versammlung von Vertretern des Kirchenbezirks, sogar zu einem Eklat.

 

Der Nordbezirk hatte als Nachfolgerin für eine ausgeschiedene Vertreterin den Dagersheimer Hausarzt Andreas Weidling vorgeschlagen. Der 43-Jährige ist seit vier Jahren Kirchengemeinderatsvorsitzender in Dagersheim und sollte im Ausschuss an der Umsetzung des neuen Pfarrplans mitwirken. Bei seiner Vorstellung erzählte Weidling einiges über sich. Doch erst, als ein Teilnehmer der Synode nach seiner politischen Tätigkeit fragte, räumte er ein, Mitglied der AfD zu sein. Er gehört dem Kreisvorstand der Partei an und war bei der Landtagswahl Ersatzkandidat.

Bei der anschließenden Wahl der Synode fiel er durch. 31 der 67 Synodalen stimmten gegen ihn, 14 enthielten sich – ein ungewöhnlicher Vorgang. Normalerweise werden die vorgeschlagenen Kandidaten akzeptiert. Weidling hatte mit einem solchen Affront nicht gerechnet. Nicht er habe sich beworben, sondern man habe ihn gefragt, ob er dieses Amt übernehmen wolle. Er habe noch gefragt, ob sein AfD-Engagement ein Hindernis sei. Das spiele keine Rolle, habe man ihm versichert.

Der Gemeindepfarrer beruft sich auf seine seelsorgerliche Schweigepflicht

Der Pfarrer der Dagersheimer Gemeinde, Udo Maier, reagiert äußerst ungehalten auf die Anfrage unserer Zeitung. „Ich sage dazu nichts.“ Ob er von der AfD-Mitgliedschaft Weidlings gewusst habe, haken wir nach. „Damit hat sich der Kirchengemeinderat im vergangenen Jahr in einer nichtöffentlichen Sitzung beschäftigt. Dazu kann ich nichts sagen.“ Und wie ist die Zusammenarbeit mit dem Kirchengemeinderatsvorsitzenden Weidling? „Auch dazu erfahren Sie nichts von mir. Das fällt unter die seelsorgerliche Schweigepflicht“, erklärt der Pfarrer. Auf den Einwand, ein öffentliches Amt sei keine seelsorgerliche Angelegenheit, reagiert Maier sehr unwirsch. „Das können Sie doch gar nicht beurteilen.“

Katholische Kirche bezieht klar Stellung gegen die AfD

Wesentlich moderater ist Maiers Kollege Adrian Rölle aus Maichingen, der Weidling in der Synode vorgeschlagen hat. „Ich halte Herrn Weidling für einen integren Mann. Aber ich wusste nichts von der AfD-Mitgliedschaft.“ Sonst hätte er ihm „von einer Kandidatur abgeraten“, sagt Rölle. Zu „wenig kompatibel“ seien einige Positionen der AfD mit christlichen Werten. Noch deutlicher wird Martin Frank, der Pfarrer an der Sindelfinger Martinskirche. „Die AfD grenzt Menschen aus, verbreitet Hasstiraden gegen Fremde und Flüchtlinge. Dies widerspricht unserer christlich-jüdischen Tradition“. Zu dieser gehöre ausdrücklich das Engagement für Flüchtlinge. Ähnlich äußert sich Franks Amtskollegin von der Böblinger Stadtkirche, Gerlinde Feine. „Für mich wäre ein Kirchengemeinderatsvorsitzender, der in de AfD aktiv ist, ein Problem. Das geht nicht.“

Feine bedauert, dass die „württembergische Landeskirche „keine klare Kante“ gegen die AfD zeige wie es beispielsweise die Landeskirche Berlin-Brandenburg mache. Deren Bischof Markus Dröge hatte im vergangenen Jahr Stellung bezogen: „Christen haben in der AfD nichts verloren“. Auch die katholische Kirche ist sehr deutlich. Der Stuttgarter Stadtdekan Christian Hermes sagt mit Blick auf die AfD: „Es ist nicht akzeptabel, als Christ rassistisch zu sein.“

Der AfD-Mann will Politik und Kirchenamt trennen

Verhalten ist hingegen die Position von Oliver Hoesch, dem Sprecher der evangelischen Landeskirche Württemberg: „Wir haben nicht eine so radikale Linie wie die katholische Kirche.“ Jeder einzelne müsse sich selbst einer Gewissensprüfung unterziehen bei dem, was er tue. Auch der Böblinger Dekan Bernd Liebendörfer plädiert für eine gewisse Toleranz. Er habe von der AfD-Tätigkeit Weidlings gewusst. „Doch es steht mir nicht zu, den Vorschlag des nördlichen Bezirks zu zensieren.“ In der Kirche müsse „Platz für alle sein“, sagt Liebendörfer. Andererseits ließ der Dekan die Frage nach der Parteizugehörigkeit Weidlings in der Synode zu – was manche für einen taktischen Zug des Dekans werten.

Weidling zweifelt die Berechtigung dieser Frage an. Zu den Motiven seines politischen Engagements will er sich momentan nicht äußern. „Der persönliche Glaube an Jesus Christus ist für mich Herzenssache. Deshalb engagiere ich mich für die Kirche. Politik zu machen gehört nach meiner Überzeugung nicht auf die Kanzel und in Synoden, sondern es geht darum, Menschen mit dem Evangelium bekannt zu machen. Daher hat meine Parteizugehörigkeit in meiner Vorstellung vor der Bezirkssynode keine Rolle gespielt.“