Die Sonderausstellung „Kommune, Kampf und Mehrwertsteuer“ im Böblinger Bauernkriegsmuseum beleuchtet das Jahr 1968. Es geht um die Revolte gegen die Staatsmacht, Emanzipation, Musik und auch um das besondere Flair von Eiscafés.

Böblingen - Cornelia Wenzel sitzt mit ihrer Mitarbeiterin Petra Häring im Eiscafé Adria und trinkt Kaffee. In den 1960er Jahren schossen italienische Eisdielen fast wie Pilze aus dem Boden. Das Adria steht für die vielen Namen, die Sonne und südliches Flair verheißen und leckere Eissorten versprechen. „Für uns Mädchen war es damals das Höchste, dort hinzugehen“, sagt die Leiterin des Bauernkriegsmuseums in Böblingen. Deshalb darf ein solcher Ort in der Ausstellung von Cornelia Wenzel nicht fehlen, die am kommenden Sonntag in der Zehntscheuer eröffnet wird. Die Schau trägt den Titel „Kommune, Kampf und Mehrwertsteuer – Neunzehnhundertachtundsechzig“. Damals sei sie zwölf Jahre alt gewesen, sagt die Kuratorin der Schau. Klar, dass da auch bei ihr viele Erinnerungen wach werden.

 

Musical „Hair“ in der Kongresshalle

Genau das beabsichtigt Cornelia Wenzel: „Dass die Besucher zurückversetzt werden in die Zeit der Revolte, als die Jugend Althergebrachtes über Bord warf und gegen Konventionen aufbegehrte.“ Sie selbst kam vor zwei Jahren auf die Idee, im Bauerkriegsmuseum – das ohnehin das Thema Aufstand transportiert – eine Ausstellung über die 68er-Generation zu machen und aufzuzeigen, was damals in Böblingen und in der Welt los war.

Zu Beginn der Ausstellung sind vier Aquarelle und Zeichnungen des 1989 in Böblingen verstorbenen Künstlers Hans Studenroth zu sehen, der den Bau der Kongresshalle festhielt, in der das Musical „Hair“ über die Bühne ging. Und er zeigt das heutzutage skurril anmutende Szenario, als neben dem neuen Bahnhofsgebäude auch noch das alte stand. Danach fällt der Blick fällt auf Banner, die durch die Straßen getragen wurden. „Haut den Springer auf die Finger“, der Protest gegen die Monopolisierung der Presse, „Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren“, die Auflehnung gegen Justiz und Rechtssprechung , gehörten zu den gängigen Slogans. „Ich war damals brav“, sagt Cornelia Wenzel. Unter die Demonstranten hat sie sich 1968 nicht gemischt, ebenso wenig wie das wohl ihre Mitschülerinnen am Evangelischen Heidehof-Gymnasium in Stuttgart getan haben.

Anti-Baby-Pillen kommen auf den Markt

Es war die Zeit, als nicht alle Sendungen im Fernsehen in Farbe ausgestrahlt wurden. „Tammy, das Mädchen vom Hausboot“ schon. Conny Strauß, wie Wenzel damals hieß, wollte möglichst keine Folge verpassen. Im Hause Strauß hatte es nicht sofort einen Fernsehapparat gegeben. Samstagsabends ging man zu den Nachbarn. Und Tag für Tag hörten die Mädchen Schallplatten, von den Beatles, Doors, Rolling Stones, von Aphrodite’s Child „Rain und Tears“. Wenzel hat sie zusammengetragen.

Unter eine Pappausgabe des Guerillaführers Che Guevara ließ sie Pflastersteine legen. Gegenüber fuchtelt eine Polizeipuppe mit einem Schlagstock – unweit einer Gruppe von stilisierten Demonstranten. Handschellen, eine Polizeiunform, ein Schutzschild, eine Pistole und ein Megafon finden sich in einer anderen Vitrine. Auch Packungen mit Anti-Baby-Pillen sind zu sehen, mit der Emanzipation der Frau kam die Geburtenkontrolle. „Eine aufregende Zeit“, sagt Wenzel. Die Einführung der Mehrwertsteuer sei eher zur Nebensache geworden. Schlagzeilen machte der einstige Kommunarde Rainer Langhans, in der Schau als Schaufensterpuppe vertreten, nackt und einer Wand zugewandt.

Streit über den Standort des Jugendhauses

Es war auch die Zeit, als man in Böblingen über den Standort des Jugendhauses stritt. Die Lage vor Ort und in aller Welt präsentiert Wenzel auf Litfaßsäulen mit Zeitungsartikeln, die sie vergrößert hat.

Was jetzt noch in der Ausstellung fehlt, ist die Musikbox für das Eiscafé. „Damit wir Hits wie ,Yellow Submarine’ hören können“, sagt Cornelia Wenzel und strahlt. Die Besucher sollen trotz aller Konflikte, die in der 68er-Generation ausgetragen wurden, auch ihren Spaß haben – so wie sie.

Zur Vernissage gibt es Hits aus dem Jahr 1968

Ausstellung:
Die Sonderschau im Böblinger Bauernkriegsmuseum in der Zehntscheuer, Pfarrgasse 2, wird am Sonntag, 28. Oktober, um 11.15 Uhr eröffnet. Der Böblinger Oberbürgermeister Stefan Belz (Grüne) hat sein Kommen angesagt. Zur Vernissage sollen musikalische Highlights aus dem Jahr 1968 zu hören sein. Der Eintritt zur Eröffnungsveranstaltung ist frei.

Öffnungszeiten:
Die Ausstellung ist montags bis freitags von 15 Uhr bis 18 Uhr geöffnet. Samstags steht sie Besuchern von 13 Uhr bis 18 Uhr offen, sonntags und an Feiertagen von 11 Uhr bis 17 Uhr. Der Eintritt kostet 2,50 Euro. Für Kinder, Schüler, Studenten und Schwerbehinderte ist der Eintritt ins Museum kostenlos. Die Ausstellung dauert bis zum 22. April.

Führungen
: Die Museumsleiterin Cornelia Wenzel führt Gäste kostenlos durch die Ausstellung. Die erste Führung ist am Sonntag, 11. November, um 11.15 Uhr. Am 30. November geht eine Führung bereits um 9 Uhr los. Nähere Informationen zum Begleitprogramm gibt es im Internet unter www.boeblingen.de und telefonisch unter der Rufnummer 0 70 31/6 69 17 05.