Hildrizhausen wird zum Stadtmobil-Standort. Das ist ein Experiment. Denn die 3500-Einwohner-Kommune hat – anders als die meisten anderen Standorte im Kreis Böblingen – keinen S-Bahn-Anschluss.

Böblingen - Für neue Wege bin ich immer offen“, sagt Hans Artschwager, der Geschäftsführer der Jugendhilfeeinrichtung Waldhaus in Hildrizhausen. Von Herbst an können die Mitarbeiter in der Familienhilfe einen Stadtmobil-Wagen als Dienstfahrzeug nutzen. Bisher erledigten sie die Fahrten mit ihren Privatwagen. Das Auto ist mitten im Ort abgestellt, gleich neben dem Rathaus. Abends und am Wochenende sollen den Wagen auch Hildrizhauser Bürger nutzen können.

 

Kooperation mit Firmen wie Waldhaus und Ritter Sport

„In Hildrizhausen testen wir, wie das Autoteilen in einer Kommune mit rund 3500 Einwohnern funktioniert“, sagt Norbert Fasching vom Verein Stadtmobil. Dieser betreibt im Kreis Böblingen bislang sechs Standorte, von denen fünf vor allem an Haltestellen der S-Bahn-Linien S 1 und S 60 liegen. Die erforderlichen Auslastung des Fahrzeugs in Hildrizhausen soll die Kooperation mit dem Waldhaus garantieren. Der Vertrag läuft zunächst zwei Jahre.

Erste Erfahrung mit der Zusammenarbeit von Firmen sammelt der Car-Sharing-Verein bereits seit dem vergangenen Jahr mit Ritter Sport in Waldenbuch. „Wir haben unseren Dienstfahrzeugpool abgeschafft“, sagt Jörg Watzlawik von Ritter Sport. Die Mitarbeiter des Schokoladenherstellers steigen für Dienstfahrten in drei Stadtmobil-Fahrzeuge, die vor dem Werksgelände geparkt sind. Abends und am Wochenende können Waldenbucher Bürger die Autos nutzen. Das tun sie auch. Fünf Privatleute würden das Angebot nutzen, sagt Fasching von Stadtmobil: „Das entwickelt sich langsam.“ Ob sich die Kooperation für den Betrieb und für den Car-Sharing-Verein auch lohnt, haben die Partner jedoch noch nicht ausgerechnet.

Das Autoteilen hat allerdings längst den Ökocharakter abgelegt. Der Stuttgarter Ableger der Stadtmobil-Initiative wurde im Jahr 1991 gegründet und nahm 1992 mit zwei Fahrzeugen seinen Betrieb auf. Im vergangenen Jahr waren es mehr als 390 Fahrzeuge, die an rund 170 Stationen stehen und von mehr als 7500 Kunden genutzt wurden. Die Initiative hat längt die Stuttgarter Stadtgrenzen überschritten.

Allein im Kreis Böblingen stehen in Herrenberg, Sindelfingen, Leonberg, Böblingen und Gärtringen Stadtmobil-Fahrzeuge. Waldenbuch und Hildrizhausen sind die jüngsten Standorte. Weitere könnten im Landkreis folgen. So liefen Gespräche mit einer Gruppe aus Holzgerlingen und Weil im Schönbuch, die gerne eine Car-Sharing-Station an der Schönbuch-Bahnlinie hätten, berichtet Norbert Fasching. Anfragen erreichten ihn sogar aus Kommunen jenseits der Landkreis- und Regionsgrenze wie etwa aus Nagold, Calw und Horb.

Zahl der Car-Sharer nach oben gegangen

Das kommt ihm zupass: „Wir wollen auch im ländlichen Raum zeigen, dass es eine andere Art von Mobilität gibt“, sagt Norbert Fasching. „Wir wollen den Leuten das Autofahren nicht abgewöhnen“, betont der Stadtmobil-Ansprechpartner. Vielmehr gehe es um einen Mobilitätsmix aus verschiedenen möglichen Bausteinen. Dazu zählt der öffentliche Nahverkehr ebenso wie ein eigenes Auto plus der Berechtigung, ein Fahrzeug der Stadtmobil-Flotte zu nutzen, die einen Zweitwagen überflüssig macht.

Dieser Mix kann sich ändern. „Wir haben durch die S-Bahnlinie S 60 zwei Fahrzeuge weniger“, sagt Jochen Breutner-Menschik aus Renningen. Im Jahr 1992 hatte er zusammen mit ein paar Mitstreitern den Verein „Autoteilen Renningen“ gegründet. Seither ist die Zahl der Nutzer und die Anzahl der Fahrzeuge kontinuierlich nach oben gegangen – bis vergangenen Dezember. Seitdem verbindet die S 60 Renningen mit Böblingen. „Sie wird angenommen und erfüllt ihren Zweck“, sagt der Renninger Stadtrat Breutner-Menschik. In seiner Heimatkommune konnte deshalb die Zahl der Fahrzeuge reduziert werden. Dagegen steigt der Bedarf in der Nachbarstadt Weil der Stadt. Dort soll noch in den Sommerferien der Pool mit einem Elektro-Kleinwagen auf drei Fahrzeuge aufgestockt werden.

Das Umweltbewusstsein bei vielen Autoteilern ist noch immer stark ausgeprägt. „Wir kaufen immer die neuesten Autos und achten darauf, dass sie sparsam sind und niedrige CO2-Werte haben“, sagt Norbert Fasching von Stadtmobil. Jüngeren Nutzern ist oft das neueste Smartphone wichtiger als ein eigenes Auto.