Das Duale System Deutschland, der Betreiber des Grünen Punkts, hat bislang dem Kreis Geld dafür überwiesen, dass er dessen Sammelsystem für Altpapier mitnutzen kann. Die Regelung hat das Leipziger Bundesverwaltungsgericht gekippt.

Böblingen - Der Kreis Böblingen hat einen langjährigen Rechtsstreit mit dem Betreiber des Grünen Punktes vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verloren. Das höchstrichterliche Urteil hat nicht nur Auswirkungen für den Kreis Böblingen, sondern auch für alle Kommunen und Landkreise in Deutschland. Denn die Richter des siebten Senats des Bundesverwaltungsgerichts haben die Regelung der Verpackungsverordnung zu den Entgelten, die das Duale System Deutschland (DSD) als Betreiber des Grünen Punktes an Kreise und Kommunen für die Nutzung von deren Sammelsystemen entrichten muss, komplett für unwirksam erklärt.

 

Die Leipziger Richter fanden es völlig unzureichend, dass in der Regelung nur davon die Rede ist, dass die öffentliche Hand „ein angemessenes Entgelt“ für die Mitnutzung von Sammelsystemen verlangen kann, ohne näher zu beschreiben, wann ein Entgelt als angemessen zu gelten hat. Diese Regelung verstößt nach Ansicht der obersten Verwaltungsrichter gegen das Grundgesetz. Die Vorschrift müsse so bestimmt sein, dass der Abgabepflichtige die auf ihn entfallende Abgabe in gewissem Umfang vorausberechnen könne, sagte der Vorsitzende Richter Rüdiger Nolte. Der Abgabepflichtige ist in diesem Fall das Duale System Deutschland. Da die zurzeit gültige Regelung der Verpackungsverordnung keine Vorgaben über ein angemessenes Entgelt macht, ziehen die Bundesrichter den Schluss: „Dies führt zur Nichtigkeit der gesamten Regelung, denn Mitbenutzungs- und Entgeltanspruch sind untrennbar miteinander verbunden.“

Kreis überrascht von Urteil

„Das Ergebnis ist für uns sehr überraschend“, kommentiert Wolfgang Bagin, der Werkleiter des Böblinger Abfallwirtschaftsbetriebs, den Leipziger Urteilsspruch. Mit der jetzigen Entscheidung sieht er die Ansprüche der Kommunen an das Duale System jedoch keineswegs verloren: „Wir werden nun im ersten Schritt versuchen, mit dem DSD eine außergerichtliche Einigung über die uns zustehende Vergütung für die erbrachten Leistungen bei der Altpapier-Entsorgung zu erzielen“, sagt Wolfgang Bagin. Das Duale System braucht auf alle Fälle vorerst keine Gebühren an Kommunen und Landkreise mehr zu zahlen. Erst, wenn der Bundestag eine neue Regelung in der Verpackungsverordnung verabschiedet hat, die den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts entsprechen, fallen wieder Gebühren an.

Vor der für den Kreis überraschenden Leipziger Gerichtsentscheidung hatte Böblingen bei den Verwaltungsgerichten in Baden-Württemberg mehr Erfolg gehabt. Das Stuttgarter Verwaltungsgericht hatte im September des Jahres 2010 Böblingen zum Teil recht gegeben, der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim im Juli 2012 ebenso. Die Richter dort hatten entschieden, dass das Duale System zahlen müsse, wenn es die öffentlich-rechtlichen Sammelsysteme nutzt. Über die Höhe des Entgelts sollten sich – kurz zusammengefasst – die Landkreise und das Duale System in Verhandlungen einigen.

Nun ist der Gesetzgeber an der Reihe

Genau diese Offenheit erschien den Bundesverwaltungsrichtern aber problematisch: „So entsteht der Fall, dass darüber verhandelt wird und man dann, wenn keine Einigung erzielt wird, auch nicht weiter weiß“, kritisierte der Vorsitzende Richter Nolte während der Verhandlung die Mannheimer Entscheidung. Auch Vertreter des Bundesumweltministeriums, die an der Verhandlung in Leipzig teilnahmen, konnten mit ihren Erläuterungen der Verpackungsverordnung die Bedenken der Bundesrichter nicht zerstreuen.

Nach dem höchstrichterlichen Spruch aus Leipzig ist nun der Gesetzgeber an der Reihe. So sieht das auch der Böblinger Landrat Roland Bernhard: „Der Verordnungsgeber ist nun gefordert, rasch nachzubessern.“ Für ihn zeige der Richterspruch, dass das Nebeneinander von Systembetreibern und öffentlichen Entsorgungsträgern nicht sinnvoll sei.