Wegen einer Wahlanfechtung kann Stefan Belz noch nicht als Oberbürgermeister vereidigt werden. So geht es gerade einigen Rathauschefs in der Region Stuttgart. Die Klage gegen Bernd Vöhringers Wiederwahl wurde jetzt abgewiesen.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Auf eine offizielle Amtseinsetzung muss Stefan Belz vorerst noch verzichten. Seine neue Stelle tritt er am Dienstag, 3. April, als Verweser an, wie im Verwaltungsdeutsch ein Vertreter genannt wird. Denn seine Wahl zum Oberbürgermeister von Böblingen wurde angefochten. Zwar hat das Stuttgarter Regierungspräsidium (RP) den Einspruch längst abgewiesen, aber die Klagefrist läuft erst Ende der Woche ab. „Die Feierlichkeiten holen wir nach“, sagt der Grüne. Sein Amt kann er trotzdem ausüben – bis auf das Stimmrecht im Gemeinderat. In der Region Stuttgart ist er auch nicht der einzige Rathauschef, der sich selbst vertreten muss: Mehr als ein halbes Dutzend Wahlanfechtungen sind vergangenes und dieses Jahr zusammengekommen. Die meisten gehen auf die Dauerkandidatin Friedhild Miller zurück.

 

Drei Verfahren beim Verwaltungsgericht

Im Kreis Böblingen hat die Sindelfingerin auch die OB-Wahl in ihrer Heimatstadt angefochten und sogar Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht. Zwei weitere von ihr initiierte Verfahren sind dort noch anhängig – gegen die Bürgermeisterwahlen von Hemmingen im Kreis Ludwigsburg und von Schwaikheim im Rems-Murr-Kreis. Außerdem klagt sie gegen die Ablehnung ihrer Kandidatur für die Oberbürgermeisterwahl in Eislingen (Kreis Göppingen), die am 8. März stattgefunden hat. Das Waiblinger Landratsamt ist noch mit einer Wahlanfechtung von ihr und Thomas Hornauer in Plüderhausen beschäftigt. Im Rutesheimer Rathaus nimmt die Wahlgewinnerin Susanne Widmaier am Dienstag ihre Arbeit auf, ebenfalls als Amtsverweserin. Allerdings hat in dem Fall ihr Mitbewerber Helmut Epple dafür gesorgt. Auch er will vors Verwaltungsgericht ziehen.

Um Einspruch gegen eine Wahl einzulegen, kann ein Kandidat die Verletzung seiner Rechte geltend machen. Wenn Bürger unzufrieden mit dem Ergebnis sind, müssen sie ein Prozent der Wahlberechtigten für ihre Anfechtung gewinnen. Das muss in der Woche nach der Bekanntgabe des Ergebnisses geschehen. Und es kostet Geld, laut RP zwischen 20 und 5000 Euro, je nach Umfang und Schwierigkeit der Prüfung. Bei den Gerichtsverfahren trägt der Verlierer die Gebühren. Wahlanfechtungen kamen bisher eher selten vor. Im Kreis Göppingen waren es vier seit 1986, im Rems-Murr-Kreis sind lediglich zwei bekannt, sie fanden 1992 und 2003 statt. Ludwigsburg meldet eine Wahlanfechtung für Korntal-Münchingen im Jahr 2016. Keine davon war von Erfolg gekrönt. Auch das RP schmetterte „jedenfalls in den letzten zehn Jahren“ – weiter reicht die Erinnerung nicht – alle Einsprüche ab. Gegen den „weit überwiegenden Teil“ sei dann zwar Klage eingereicht worden, aber „meist ohne Erfolg“, teilt die Behörde mit.

Keine Fehler bei der Wahl

Auch bei der Sindelfinger OB-Wahl konnte der Richter keine Fehler entdecken. Vergangene Woche wurde die Klage von Friedhild Miller abgewiesen. Der Amtsinhaber habe die Neutralitätspflicht verletzt, lautet ihre Begründung. Außerdem sei die Wahl manipuliert worden, weil in eine Wahlkabine von außen eingesehen werden konnte. „Ich freue mich über die Entscheidung“, sagt Bernd Vöhringer. Sie bestätige, dass alles korrekt abgelaufen sei. Wenn die Berufungsfrist abgelaufen ist, kann er fast ein Jahr nach der Wiederwahl in sein Amt eingeführt worden. Sicherlich sei ein solches Verfahren nicht angenehm, räumt er ein, und er ist froh, wenn es abgeschlossen ist. „Aber ich lasse mich davon nicht in meiner Amtsführung beeinträchtigen“, stellt der OB klar. Die gleiche Auskunft gibt der Hemminger Bürgermeister: „Die Wahlanfechtung hat keinerlei Auswirkungen auf meine Arbeit oder tangiert mich persönlich“, teilt Thomas Schäfer mit.

Im Grundsatz sei es richtig, dass Wahlen bei berechtigten Zweifel angefochten werden können, sagt Stefan Belz. Die Entscheidung, welche Einwände richtig seien und welche nicht, stehe ihm nicht zu. Er schaue der Wahlanfechtung gelassen und entspannt entgegen: „Ich kann als OB agieren, und ich freue mich, dass es losgeht.“ Auf die offizielle Amtseinsetzung will der zum ersten Mal in das Amt gewählte Quereinsteiger nicht verzichten – „als Signal, dass man die üblichen Gepflogenheiten einhält“.