Unter den Menschen, die bei Thamar beraten werden, sind immer mehr geflüchtete Frauen und Kinder. Neu ist auch ein Präventionskonzept, das mit Sportvereinen erarbeitet wird.

Böblingen - Im Jahr ihres 25-jährigen Bestehens verzeichnet Thamar, die Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt, erneut eine steigende Zahl von Beratungsfällen. Erstmals ist auch erhoben worden, wie viele Frauen und Kinder mit Fluchterfahrungen betreut worden sind. „Wir haben im vergangenen Jahr deutlich mehr Hilfesuchende betreut, die vor allem aus dem Kosovo, Afghanistan, Syrien und Albanien kamen“, erläutert Monika Becker, die Leiterin der Beratungsstelle. 18 solcher Fälle hat sie registriert, insgesamt ist die Zahl der Beratungsfälle um 13 auf 237 gestiegen. 22 Kinder sind darunter, die nicht einmal fünf Jahre alt sind.

 

Sexueller Missbrauch auf der Flucht und in Heimen

„Hinter einem Fall stecken meist mehrere Menschen“, sagt Becker. In ihrem Land, auf der Flucht oder später in Asylunterkünften im Kreis Böblingen seien auch Kinder sexuell missbraucht worden. „Die Gespräche berühren sehr“, berichtet die Leiterin der Beratungsstelle. Natürlich sei stets eine Dolmetscherin dabei, wenn eine Frau oder ein Kind über die schrecklichen Erlebnisse spreche. Da, wo sie her kämen, seien sie meist ein absolutes Tabuthema. Um so mehr sei es für die Betroffenen neu, sich in einem geschützten Raum einer Beraterin anvertrauen zu können.

Die zunehmende Zahl an Hilfesuchenden aus fernen Ländern sei darauf zurückzuführen, dass die Zusammenarbeit mit den Soziaberatungsstellen immer besser funktioniere. Auch viele Ehrenamtliche, die in der Flüchtlingsarbeit tätig sind, wurden zuletzt auf Thamar aufmerksam und fungieren nun als Vermittler zwischen den Betroffenen und der Einrichtung. „Immer wieder taucht bei den Gesprächen die Frage auf, was die Betroffenen machen sollen, wenn sie nicht schlafen können“, berichtet Becker. Oft helfe den Frauen, die schlimmen Erlebnisse „einfach wegzupacken“.

Besonders Kinder brauchen wieder ein Stück Normalität

Denn zum Verarbeiten sei für viele momentan kaum Zeit. Im Vordergrund stehe die Frage, ob Geflüchteten in Deutschland bleiben könnten oder nicht. War der Übergriff in einem Flüchtlingsheim, setzt sich die Beratungsstelle dafür ein, dass das Opfer woanders untergebracht wird. In jedem Fall gehe es darum, dass sich der Lebensalltag ändere. „Besonders auch bei Kindern ist es wichtig, dass sie nach dem Vorkommnis wieder ein Stück Normalität erleben können“, sagt Becker. Dabei helfe zum Beispiel der Schulbesuch.

Neuerdings arbeitet Thamar auch an einem Schutzkonzept für Sportvereine mit. Nach dem jüngsten, bekannt gewordenen Fall eines Jugendtrainers beim TSV Höfingen, der Kinder sexuell missbraucht haben soll, startet bei etwa einem Dutzend Sportvereinen im Kreis Böblingen ein entsprechendes Pilotvorhaben, das sich mit Möglichkeiten der Prävention beschäftigt. Laut Becker erfolgt der Startschuss mit einem Workshop noch in diesem Sommer beim TSV Kuppingen.

Sexuelle Gewalt kein „Kavaliersdelikt“

Überhaupt: Die Zusammenarbeit mit Ämtern und nicht zuletzt mit der Polizei habe sich in den vergangenen 25 Jahren deutlich verbessert und vervielfacht, erklärt Becker. Ganz besonders freue sie sich darüber, dass sexuelle Gewalt nicht mehr als „Kavaliersdelikt“ angesehen werde und die Prävention immer mehr an Bedeutung gewonnen habe. Thamar habe zudem Planungssicherheit, eine feste Grundförderung durch den Kreis Böblingen und könne darüber hinaus auf Spenden zurückgreifen.