Derzeit läuft das Pianistenfestival in Böblingen. Die Interpretin des ersten Abends, Evgenia Rubinova, hat nicht nur solistisch geglänzt, sondern auch Klavierschülerinnen der Musikschule Unterricht gegeben – mit beeindruckend viel Hingabe.

Kunst kommt von Können und Schweiß. Vor allem beim Klavierspielen ist ohne schweißtreibendes Üben wenig zu erreichen. Das konnten jetzt vier Klavierschülerinnen im Alter von 12 bis 17 Jahren an der Musik- und Kunstschule Böblingen nachvollziehen. Niemand geringeres als die international renommierte Pianistin Evgenia Rubinova, die das Pianistenfestival am vergangenen Freitag eröffnet hatte, gab an der Böblinger Musik- und Kunstschule einen kleinen Meisterkurs.

 

Anspruchsvolles Programm

Die Böblinger Klavierlehrerin Senta Pflieger, die mit ihren Schülern auch regelmäßig die Festivalkonzerte besucht, hatte den Kurs gemeinsam mit dem Festivalleiter Ulrich Köppen organisiert. Rubinova ist das Unterrichten gewöhnt, da sie am Leopold-Mozart-Institut in Augsburg eine Dozentenstelle innehat. Auf dem Kursprogramm standen so anspruchsvolle Werke wie der dritte Satz aus der „Appassionata“-Sonate von Ludwig van Beethoven, das berühmte cis-Moll-Nocturne von Frédéric Chopin, die Arabeske von Robert Schumann und zur großen Freude von Rubinova auch ein Stück von Pjotr Tschaikowsky.

Senta Pflieger war vor allem begeistert vom enormen Einfühlungsvermögen Rubinovas, denn der Gast kannte die Schülerinnen vorher nicht. „Sie hat die enorme Gabe, sich intensiv in die Schülerinnen hineinzuversetzen“, lobte die Böblinger Musiklehrerin, „im Lehrraum der Musik- und Kunstschule standen auch zwei Flügel, sodass sie teilweise parallel mit den Schülerinnen Ausschnitte aus den Stücken gespielt hat.“

Lockerheit ist so wichtig wie Kraft

Rubinova hat außerordentlich viel mit körperlicher Bewegung demonstriert, wie sie bestimmte Phrasen oder Rhythmen realisiert haben wollte. Denn eine anschauliche Körpersprache kann viel über die Aussage eines Musikstückes vermitteln. Erstaunlich dabei: Evgenia Rubinova wusste zwar, welche Stücke unter anderem drankommen, aber brauchte selbst keine Notenvorlage. Sie hatte alle Stücke ganz oder teilweise im Kopf.

Wichtig war ihr besonders, dass die Stücke in großen, klanglichen Melodiebögen gespielt werden. Dazu zählte auch die richtige Haltung am Klavier. Außerdem sei es sehr wichtig, das sogenannte Finger-Legato zu entwickeln, also die folgende Taste erst anzuschlagen, wenn die vorhergehende gerade erst verklingt. Denn erst so entstehe eine sangliche Melodie. „Es ist wichtig, dass neben der Kraft Lockerheit herrscht“, erläuterte Rubinova, „deswegen versuche ich den Schülerinnen beizubringen, dass die Ellenbogen etwas tiefer als die Tastatur liegen sollen, damit Finger und Handgelenke unabhängig voneinander agieren.“ Zudem ließ Rubinova die Anschlagstechnik üben. Denn für Pianisten sei es auch bei leisen Tönen wichtig, klangliche Substanz zu entwickeln. Die Gastlehrerin hatte offensichtlich viel Freude an der Vermittlung und überzog die eingeplanten zwei Stunden großzügig.

Das nächste Konzert beim Pianistenfestival an diesem Freitag, 20. Januar, um 20 Uhr im in der Böblinger Kongresshalle bestreitet der junge Deutsche Jonas Aumiller, der gerade seine Meisterklasse an der Juillard School in New York absolviert hat. Nach seinem Böblinger Auftritt fliegt er zum internationalen Arthur-Rubinstein-Pianisten-Wettbewerb nach Israel. Auf seinem Programm stehen Werke der Romantik: von Skrjabin die Fantasie f-Moll, von Liszt/Aumiller die sinfonischen Dichtungen Nr. 4 „Orpheus“ und Nr. 3 „Les Préludes“ sowie von Johannes Brahms die Sonate f-Moll op. 5, ein emotional leidenschaftliches Klanggebirge.