Lucienne Graupe und ihre Familie leiden unter dem Schießlärm der US-Army. Sie ruft deshalb die Bürger zur Teilnahme an der Gemeinderatssitzung auf – es geht um Pläne zum Lärmschutz.

Böblingen - Knallgelb sind die Flugblätter. Übersehen kann man sie nicht. In alle Briefkästen auf dem Rauhen Kapf haben Lucienne Gaupe und ihr Mann Philipp die Zettel in der Leuchtfarbe diese Woche gesteckt. Mit dem dringenden Aufruf an alle Bewohner: „Bitte kommen Sie zur Sitzung des Gemeinderats am 18. Juli.“

 

Wenn alle 800 Einwohner des Wohngebiets dem Aufruf folgen sollten, dann muss die Ratssitzung wohl wegen Überfüllung des Saals verlegt werden. Für Lucienne Graupe und ihre Mitstreiter eine durchaus reizvolle Vision. Denn für sie geht es am kommenden Mittwoch ums Eingemachte: Die US-Army stellt den Stadträten ihre Pläne zur Dämmung des Schießlärms vor.

Seit 23 Jahren kämpfen die Bürger

„Endlich“, sagt Lucienne Graupe. Denn der Kampf der Anwohner des Rauhen Kapfs gegen den Schießlärm reicht weit zurück. Vor ziemlich genau 23 Jahren – damals war Graupe noch ein Teenager und lebte ganz woanders – schlossen sich einige Bewohner des am Waldrand liegenden Böblinger Stadtteils zusammen. Ihr Ziel: den Lärm der nur wenige hundert Meter entfernten Schießanlage der US-Army zu reduzieren. Zum Problem wurde die Schießanlage, die es bereits im Zweiten Weltkrieg gegeben hatte, erst Mitte der 90er Jahre. Damals begannen die Amerikaner dort mit dem systematischen Schießtraining für ihre Sondertruppen für den Nahen Osten.

Mehr als zwei Jahrzehnte sind seit der Gründung der Bürgerinitiative vergangen: mit unzähligen Runden Tischen, einigen Versprechen – doch noch immer wähnen sich die Bewohner auf dem Rauhen Kapf an manchen Tagen auf einem Schlachtfeld im Nahen Osten. So laut donnern die Salven der Gewehre und Maschinenpistolen. Vor allem Familien mit Kindern wie die Graupes leiden unter der Situation. „An vielen Tagen können die Erzieherinnen mit den Kindern der Kita nicht raus gehen, weil es zu laut ist“, klagt Lucienne Graupe.

Viel gesprochen, wenig passiert

Doch nun scheint sich eine Lösung anzubahnen: Die US-Army will am kommenden Mittwoch dem Böblinger Gemeinderat seine Pläne zur Dämmung des Schießlärms vorlegen. Und da sei es wichtig, dass möglichst viele Betroffene dabei sind, sagen die Graupes. „Viele Bewohner hier oben haben längst resigniert“, weiß Lucienne Graupe. „Da wurde in der Vergangenheit schon so viel versprochen – und nichts ist passiert.“ Doch sie ist zuversichtlich, dass es den Amerikanern dieses Mal ernst ist.

Den Anstoß zu dieser Gemeinderatssitzung mit amerikanischer Beteiligung gab es bei einem Treffen im Bundesverteidigungsministerium im April. Dort hatte es auf Initiative des CDU-Bundestagsabgeordneten Marc Biadacz ein Gespräch mit hochrangigen Vertretern der US-Army gegeben. Diese hatten Biadacz und dem neuen Böblinger Oberbürgermeister Stefan Belz versprochen, noch vor den Sommerferien ein Konzept zur Schießlärmdämmung vorzulegen. An diesem Mittwoch ist es nun soweit.

Der Böblinger Gemeinderat hatte bereits im vergangenen Jahr seine Bereitschaft signalisiert, sich an den Kosten für die Dämmung zu beteiligen - mit bis zu 300 000 Euro. Etwa eine Million Euro soll die Lärmdämmung kosten.

Lucienne Graupe ist optimistisch

Auch sonst weiß Graupe die Stadt hinter sich. Den Aufruf an die Bürger des Rauhen Kapfs zur Teilnahme an der Sitzung hat nicht nur die Bürgerinitiative, sondern auch der Arbeitskreis Rauher Kapf unterzeichnet– in ihm sitzen auch offizielle Vertreter der Stadtverwaltung.

Konzepte zur Lärmdämmung gab es schon einige in den vergangenen Jahren. Bisher scheiterte die Umsetzung jedoch immer an den Kosten und der Frage, wer was bezahlt. Das neue Konzept sieht voraussichtliche Baukosten von etwa einer Million Euro vor. Lucienne Graupe ist optimistisch, dass die US-Army ihren Beitrag dazu leistet. „Ich rechne für das kommende Frühjahr ganz fest damit, dass es auf dem Rauhen Kapf wesentlich leiser wird.“

US-Army trainiert für Einsätze im Nahen Osten

Schießstand An der Schießanlage bei der Panzerkaserne, die im Wald mitten in einem dicht besiedelten Gebiet zwischen Böblingen und Schönaich liegt, trainieren die Sondereinheiten der US-Armee für ihre Kampfeinsätze im Nahen Osten. Dazu werden sie aus der ganzen Welt eingeflogen.

Anwohner Auf dem Rauhen Kapf, einem Wohngebiet, das unmittelbar an den Schießstand grenzt, leben knapp 900 Menschen. Betroffen vom Schießlärm sind auch einige Gebiete von Schönaich und seit Neuestem das Böblinger Wohngebiet Tannenberg.

Bürgerinitiative Im Jahr 1995 haben sich Anwohner des Rauhen Kapfs zusammengeschlossen. Die Bürgerinititaive vertritt die Interessen von mehr als 1000 vom Schießlärm betroffenen Bürgern. Die treibende Kraft ist Ulrich Durst, der nur wenige Hundert Meter entfernt vom Schießstand lebt. In den vergangenen Jahren haben sich auch mehrere junge Familien der Initiative angeschlossen.