Die SSB will die Schienen an der Böblinger Straße erneuern. Die Anwohner wünschen sich, dass im Zuge dessen die Gleise ein Stück nach Osten verlegt werden. Bereits seit einigen Jahren versuchen sie, das durchzusetzen – bislang vergebens.

Manteldesk: Sandra Hintermayr (shi)

Kaltental/Süd - Manfred Brunner hat alles dokumentiert. Seit 1983 versucht er zusammen mit anderen Bewohnern, eine Verbesserung der Wohnsituation in der sogenannten Polizeisiedlung zu erreichen. „Ich könnte ein Buch darüber schreiben“, sagt Brunner und blättert in einem dicken Ordner. Darin hat er sämtlichen Schriftverkehr mit der Stadt den Bereich Böblinger Straße 312 bis 350 betreffend abgeheftet. Der Umbau der Straßenbahn zur Stadtbahn bildete den Anfang der „unendlichen Geschichte“, wie Brunner es nennt. Mit den breiteren Gleisen wurde die Zufahrt zu den Gebäuden schmäler.

 

Seit Jahrzehnten plädieren die Siedler dafür, die Gleise ein Stück nach Osten zu verlegen. Dadurch wäre die Zufahrtsstraße zu ihren Häusern wieder breiter. Unterstützung bekamen die Bürger unter anderem vom Bezirksbeirat. Selbst die ehemaligen Oberbürgermeister Manfred Rommel und Wolfgang Schuster bestätigten den Bewohnern die Untragbarkeit der Situation. 2004 etwa schrieb Schuster: „[...] wird auch von der Stadt die Verlegung der Gleisanlage zur Nesenbachseite hin als optimale Lösung angesehen“.

Getan hat sich nichts. „Es wird anerkannt, dass unsere Forderungen berechtigt sind, aber die Zusagen werden nicht eingehalten“, sagt Brunner. „Wir kommen uns langsam vor wie Menschen zweiter Klasse. Wir werden immer vergessen oder nicht beachtet“, sagt Ulrich Langjahr.

Es gibt Pläne für eine Verlegung der Gleise

Nun möchte die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) die Schienen erneuern. Eine gute Gelegenheit, noch einmal über eine Verlegung der Gleise nachzudenken, finden die Bewohner. Es handle sich um eine routinemäßige Sanierung der Gleise, die sich nach einiger Zeit schlicht abnutzen, sagt die SSB-Sprecherin Birte Schaper. Stück für Stück sei die Strecke von Vaihingen kommend erneuert worden, nun ist das Teilstück im Bereich der Polizeisiedlung dran. „Der Gleisoberbau wird im Herbst saniert“, sagt Schaper über den Zeitrahmen der Bauarbeiten. Von einer möglichen Verlegung weiß die SSB nichts. „Das stand nicht zur Diskussion“, sagt Schaper.

Freiwillig würde die SSB ja auch kaum Geld dafür in die Hand nehmen. Es müsste schon ein Auftrag von Seiten der Stadt erteilt werden. Den wird es aber eher nicht geben. „Das ist ein schwieriges Thema und wird seit Jahren diskutiert“, sagt Jana Braun, die Sprecherin der Stadt. „Die Pläne liegen in der Schublade. Das fand aber nie eine politische Mehrheit, weil die Kosten extrem hoch wären.“ Zwar sei bekannt, dass die Situation vor Ort recht ungünstig sei. Zum Teil würde dies aber auch durch die Anwohner selbst verursacht, weil sie auf der engen Straße parken würden, statt in ihren Einfahrten. „Das ist aber nicht kritisch“, sagt Braun. „Durch gegenseitige Rücksichtnahme ist das zu handhaben.“

Fußgänger müssen auf die Schienen ausweichen

Tatsächlich haben besonders größere Fahrzeuge wie Möbellaster oder die Müllabfuhr kaum Platz, an den parkenden Autos vorbeizukommen. Lackspuren und Reifenabrieb am Geländer zum Gleisbett bezeugen das. Und mehr noch: „Fußgänger müssen auf die Schienen ausweichen, weil kein Platz ist“, sagt Brunner. Das ist nicht ungefährlich, meint er, denn die Stadtbahnen dürfen die Strecke zwischen den Haltestellen Waldeck und Heslach Vogelrain mit 70 Kilometer pro Stunde befahren.

„Die Kinder alleine rauszulassen, geht nicht“, sagt Dagmar Marquez. Zu groß ist die Sorge, dass sie unter die Räder kommen. „Ich freue mich über jeden einzelnen Stadtbahnfahrer, der bremst, wenn Kinder neben den Gleisen sind, und im Schritttempo vorbeifährt“, sagt Marquez. Doch das sei nicht immer der Fall. Oft rasen die Bahnen mit 70 Sachen vorbei und klingeln lediglich, um ihr Kommen anzukündigen, sagt Marquez. Eine Verlegung der Gleise nach Osten wäre für die Bewohner die ideale Lösung. Dafür könnte der Mittelstreifen, der die Fahrspuren stadtein- und stadtauswärts trennt, entfallen. Der Streifen ist ungefähr einen Meter breit. „Ein Meter ist nicht viel, aber für uns würde er viel bedeuten“, sagt Marquez.

Die Anwohner sehen ihren Einwand als letzte Chance. „Wenn die Schienen jetzt erneuert werden, liegen sie für die nächsten 50 Jahre“, sagt Brunner. Die Siedler haben die Hoffnung, dass die Stadt vielleicht doch noch über eine Verlegung der Gleise nachdenkt. Aus diesem Grund hat Brunner ein erneutes Schreiben an die Stadt aufgesetzt, adressiert an Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Eine Antwort steht bislang aus. Und die Hoffnung der Bewohner sinkt. „Wenn jetzt nichts passiert, ist die Sache für mich erledigt“, so Brunner.