Der bolivianische Präsident strebt eine vierte Amtszeit an. Doch der erste indigene Regierungschef des Landes muss zum ersten Mal um seine Wiederwahl bangen.

La Paz - Mit einem Grinsen begrüßt Evo Morales Reisende im bolivianischen La Paz. Riesige Plakate mit dem Konterfei des Sozialisten hängen in den Flughäfen des Landes. Er will sich an diesem Sonntag zum vierten Mal zum Präsidenten der Bolivianer wählen lassen. Doch neben den Wahlplakaten sieht man vermehrt Graffiti mit der Aufschrift „Respektiere meine Stimme“ an den Fassaden. Morales’ Kandidatur ist hochumstritten, denn eigentlich untersagt sie die bolivianische Verfassung.

 

Um trotzdem kandidieren zu können, hatte Morales Partei Bewegung zum Sozialismus (Movimiento al Socialismo, MAS) vor drei Jahren zu den Urnen gerufen. Beim Verfassungsreferendum sprach sich damals eine knappe Mehrheit der Bevölkerung gegen eine Aufhebung der Amtszeitbegrenzung aus. Damit wäre Morales politische Karriere in diesem Jahr zu Ende gegangen, doch er setzte seine Kandidatur auf juristischem Wege durch – ein Skandal aus Sicht der Gegner des Sozialisten. „Mittelschicht und Großstädte drehten Morales schon vor dem Referendum den Rücken zu. Diese Kluft vergrößerte sich nach der Entscheidung des obersten Wahlgerichts noch einmal“, sagt der bolivianische Politologe Carlos Cordero.

Wirtschaftlich geht es dem rohstoffreichen Land hingegen so gut wie schon lange nicht mehr. Die Armutsquote sank unter Morales, der seit 2005 regiert, bei einer kontinuierlich wachsenden Wirtschaft von rund 60 auf 35 Prozent. Der zweite Trumpf des Präsidenten ist seine Herkunft: Morales stammt aus einer armen Aymara-Gemeinde im Andenhochland. Mit dem 59-Jährigen steht erstmals ein Vertreter der indigenen Bevölkerung an der Regierungsspitze, zu der sich 44 Prozent der Bolivianer zählen.

Die Waldbrände im Land waren verheerend

Der ehemalige Kokabauer besucht offizielle Termine gerne in traditioneller Landestracht und stilisierte sich geschickt zum einzig wahren Vertreter des Volkswillens hoch. Anfangs bestätigte er dieses Image als Sprachrohr der Indigenen: Die Republik wurde zu einem plurinationalen Staat, das bunt karierte Wappen der andinen Bevölkerung zum offiziellen Staatssymbol, Kenntnisse in einer indigenen Sprache zur Bedingung für die Bekleidung öffentlicher Ämter und der Austritt Boliviens aus der UN-Drogenkonvention Realität, um die Kontrolle über die Endnutzung der traditionellen Kokaproduktion den Bauern selbst zu überlassen.

Opposition, Kirche und Nichtregierungsorganisationen beschuldigen Morales nun eines zunehmend autoritären Kurses. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen belegt Bolivien nur Platz 113 von 180. „Die Korruption hat auch die MAS untergraben. Heute ist Bolivien zwar ein mächtiger und reicher, aber ein genauso korrupter und ineffizienter Staat“, resümiert der Politikwissenschaftler Cordero. Naturschützer und Regierungsgegner werfen Morales zudem vor, zu wenig gegen die verheerenden Waldbrände im Osten Boliviens zu unternehmen. Vier Millionen Hektar Wald und Weideland wurden vernichtet, mehr als zwei Millionen Tiere sollen in der Feuersbrunst umgekommen sein, berichten lokale Umweltschützer. Sie bezichtigen Morales einer Mitschuld an der Umweltkatastrophe, da die Regierung pünktlich zu Beginn der Trockenzeit im Juli ein Gesetz zur Brandrodung im Amazonasbecken lockerte. Morales wiederum lässt die Anschuldigungen robust an sich abprallen.

Morales ist seit 13 Jahren im Amt

In Santa Cruz, Hauptstadt der von den Waldbränden betroffenen Region, gingen Hunderttausende Gegner des Präsidenten auf die Straße. Das bolivianische Tiefland ist die politische Heimat von Carlos Mesa. Der Ex-Präsident und Mitte-Kandidat ist Morales größter Rivale. Davon unbeeindruckt gibt sich Morales siegessicher und erinnert an die Wahl vor fünf Jahren, als er mit mehr als 60 Prozent der Stimmen in seinem Amt bestätigt wurde. Schenkt man aktuellen Umfragen Glauben, fehlen Morales wenige Prozentpunkte für die benötigte Mehrheit im ersten Wahlgang.

Ob das Gesicht von Evo noch bis 2025 an Baustellen, Schulen und öffentlichen Einrichtungen des Landes zu sehen sein wird, könnte sich erst im Dezember nach einer Stichwahl zwischen ihm und Mesa entscheiden. Unabhängig vom Wahlausgang ist Morales nach 13 Jahren schon jetzt der am längsten amtierende Staatschef in der bolivianischen Geschichte – so lange hielten sich in Südamerika bislang nur Diktatoren im Präsidentenamt.