Bolvien erlaubt die Kinderarbeit ab dem Alter von zehn Jahren. Was die einen für einen Skandal halten, sehen die anderen als unverzichtbar. Auch Kinder müssten ihren Anteil zum Lebenserhalt der Familien leisten.

La Paz – In Bolivien ist künftig die Arbeit von Kindern über zehn Jahren erlaubt. Das Parlament in La Paz hat jetzt ein Gesetz verabschiedet, das Ausnahmen vom Mindestarbeitsalter von 14 Jahren zulässt. Die Begründung: Dass Kinder zum Familieneinkommen beitragen müssten, sei die soziale Realität. Für das Alter von zehn bis zwölf sind Tätigkeiten „auf eigene Rechnung“ – etwa Schuhputzen – erlaubt. Das Gesetz schließt bestimmte Tätigkeiten aus: Mitarbeit in der Zuckerrohr- und Nuss-Ernte und vor allem im Bergbau, wo Kinder bisher eingesetzt werden, um die Dynamitladungen zu befestigen.

 

Die neuen Regelungen gelten als Erfolg der organisierten Kinderarbeiter. 2013 wollte das Parlament ein Kinderschutzgesetz verabschieden, das jede Arbeit unter 14 verboten hätte. Eine Gruppe von arbeitenden Kindern und Jugendlichen, die damals vor dem Parlament gegen die Novelle protestierten, wurden mit Tränengas von der Polizei vertrieben. Aber das entzündete die Debatte über den Konflikt zwischen Norm und sozialer Realität erst richtig. Der Senat setzte eine Anhörung der Kinderarbeiter-Gewerkschaft Unatsbo an, die rund 10 000 arbeitende Kinder vertritt. Auch Staatschef Evo Morales, der als Kind Eis verkaufen und in einer Bäckerei arbeiten musste, traf sich mit den Kindern. Die Befürworter des neuen Gesetzes berufen sich auf die Realität: Viele Kinder könnten sich die Schule nicht leisten, ohne zu arbeiten, oder ihre Familien brauchten das Einkommen. Morales zufolge schärft Arbeit auch die soziale Verantwortung von Kindern. Vor allem auf dem Land sei Kinderarbeit „Dienst an der Familie“. Große Kinderhilfswerke wie Save the Children oder Terre des Hommes sehen das ähnlich. Die Weltarbeitsorganisation ILO dagegen ächtet Kinderarbeit. Dass Kinder arbeiten müssten, um zu überleben, erinnere an das Argument, die Sklaven würden verhungern, wenn man sie freilasse, sagte der für Bolivien zuständige ILO-Vertreter Guillermo Dema.

Laut offiziellen Angaben arbeiten in Bolivien etwa 850000 Kinder und Jugendliche. Die meisten erhalten kein Geld, weil sie im Familienverband schuften. In ganz Lateinamerika üben etwa 13 Millionen Kinder eine gewerbliche Tätigkeit aus.