Die sozialen Proteste in Chile haben nun auch direkte Auswirkungen auf die internationale Diplomatie: Der UN-Klimagipfel und der Asien-Pazifik-Gipfel können dort nicht stattfinden. Vor zwei Jahren gab es schon mal einen Ersatz-Ort für die Klimadiplomaten: Bonn.

Santiago de Chile/Berlin - Chile hat wegen der schweren Proteste die Ausrichtung der nächsten Weltklimakonferenz im Dezember und des Asien-Pazifik-Gipfels im November abgesagt. Staatschef Sebastián Piñera sagte am Mittwoch in Santiago de Chile, die Regierung müsse sich vorwiegend der Befriedung sowie der Ausarbeitung von Reformen widmen, die den Forderungen der Protestwelle gerecht würden. Der Klimagipfel sollte von 2. bis 13. Dezember in der chilenischen Hauptstadt stattfinden. Bei der Suche nach einer Alternative richten sich die Blicke auch auf Deutschland - genauer gesagt, auf Bonn.

 

Die jährlichen Treffen der Klima-Diplomaten dienen dazu, die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens voranzutreiben. Vergangenes Jahr reisten mehr als 20 000 Teilnehmer ins polnischen Kattowitz, darunter viele Staats- und Regierungschefs. Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth schrieb auf Twitter, man sei im Kontakt mit dem UN-Klimasekretariat und der polnischen Präsidentschaft der vorigen Klimakonferenz, um die Situation zu beraten. UN-Klimachefin Espinosa teilte mit, man lote Alternativen aus.

Schon einmal Ersatz

Das Klimasekretariat der Vereinten Nationen hat seinen Sitz in Bonn. 2017 richtete die Stadt den Gipfel ersatzweise aus. Den Vorsitz hatte der kleine pazifische Inselstaat Fidschi, aber es wäre schwierig gewesen, dort so viele Menschen unterzubringen. Damals gab es für die Planung aber einen langen Vorlauf. Es wurde zunächst nicht damit gerechnet, dass noch am Mittwoch eine Entscheidung über einen Ersatz-Ort fallen würde.

„Jetzt muss die Bundesregierung einspringen und die Klimakonferenz am UN-Standort Bonn ausrichten“, forderte Ann-Kathrin Schneider von der Umweltorganisation BUND. Die Umsetzung des Pariser Abkommens müsse trotz der Absage sichergestellt werden. Auch FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff forderte: „Die Bundesregierung muss jetzt zeigen, dass sie es mit dem Klimaschutz ernst meint und die Konferenz deshalb schnellstmöglich nach Deutschland holen.“

Gedanken über Format

Entwicklungsminister Gerd Müller nutzte die Absage, um für seinen Vorschlag zu werben, die Klimakonferenzen nur noch alle zwei Jahre stattfinden zu lassen. Die Absage sei bedauerlich, aber auch eine Gelegenheit, über das Format nachzudenken, sagte der CSU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. „Es kann nicht zeitgemäß sein, dass jedes Jahr 20 000 Menschen für 14 Tage einmal um den halben Globus fliegen.“ Sein Vorschlag: „Auf hochrangiger Ebene finden die Treffen nur noch alle zwei Jahre statt.“ Dazwischen sollten die Experten regelmäßig in kleineren Formaten arbeiten.

Chiles Staatschef Piñera sagte im Regierungssitz Casa de la Moneda, die Regierung habe „angesichts der schwierigen Umstände, die unser Land in den letzten Wochen erlebt“, beschlossen den Asien-Pazifik-Gipfel (APEC) in November und die Klimakonferenz (COP 25) in Dezember nicht zu veranstalten. Noch während er sprach, sammelten sich erneut Demonstranten in der Nähe, um an einer Großkundgebung teilzunehmen.

Fragezeichen hinter Fußball-Finale

Am 23. November soll in Santiago de Chile außerdem das Finale der Copa Libertadores, der südamerikanischen Fußball-Königsklasse, stattfinden. Ob Flamengo Rio de Janeiro und Titelverteidiger River Plate Buenos Aires wie geplant spielen können, blieb zunächst offen.

US-Präsident Donald Trump hatte angekündigt, er wolle am Rande des Asien-Pazifik-Gipfels am 16. und 17. November möglichst mit Chinas Staatspräsident Xi Jinping ein Teilabkommen im Handelsstreit der beiden größten Volkswirtschaften unterzeichnen. Was die Gipfelabsage nun für den Zeitplan bei den Handelsgesprächen beider Länder bedeutet, ob sich Trump und Xi nun womöglich an einem anderen Ort treffen könnten - und falls ja, wann und wo, war zunächst unklar. Auch Russlands Regierungschef Dmitri Medwedew sollte teilnehmen.

Über eine Million protestiert

Proteste gibt es in Chile seit gut zwei Wochen. Auslöser war eine geplante relativ geringe Erhöhung der Nahverkehrspreise - aber bald machten die Einwohner des südamerikanischen Landes ihrem grundsätzlichen Zorn über niedrige Löhne und Renten, hohe Lebenshaltungskosten und ungleiche Verteilung des Wohlstands Luft. Am Freitag waren 1,2 Millionen Menschen in Santiago de Chile auf die Straße gegangen.

Wiederholt kam es zu Gewalt und Vandalismus, Sicherheitskräfte gingen hart gegen Demonstranten vor. Es gab Tote, Verletzte und Tausende festnahmen. Wegen der Unruhen hatte die Regierung über zehn Tage einen Ausnahmezustand mit Ausgangssperre verhängt, diesen aber am Montag aufgehoben.