Das starke Abschneiden des Deutschen Gabriel Clemens bei der Darts-WM in London hat man auch in den Vereinen genau verfolgt. Gibt es seither mehr Zulauf in den Dart-Clubs?

Ludwigsburg: Marius Venturini (mv)

So richtig überrascht ist man in der Dartswelt nicht. Gabriel Clemens, das war schon länger klar, hat es drauf. Und nun zeigte der gebürtige Saarlouiser endlich auch mal bei der Weltmeisterschaft, was in ihm steckt. Im Londoner Alexandra Palace, von den Dartsfans liebevoll „Ally Pally“ genannt, schaffte es der 39-Jährige jüngst bis ins Halbfinale. Erst dort unterlag er dem späteren Champion Michael Smith aus England.

 

Clemens’ Abschneiden überrascht niemanden so wirklich

Auch im Landkreis Ludwigsburg hat man ganz genau hingeschaut. „Ich verfolge sehr intensiv seine Tour und seine Ergebnisse“, sagt etwa der Steinheimer Marko Puls, selbst Spieler von internationaler Klasse. Nach stetigen kleineren Erfolgen und harter Arbeit sei dieses Ergebnis für ihn ein logischer Schluss. „Er hat die ganze Saison über extrem stabil gespielt“, fügt Manuel Porubek hinzu. Der Leiter der Steeldarts-Abteilung beim SV Kornwestheim hatte Clemens vorab auf jeden Fall für das Viertelfinale auf dem Zettel.

Was bedeutet „Gagas“ starkes Abschneiden nun aber für den Dartssport in Deutschland? Gibt es einen Boom in den Vereinen? Oder fühlt sich die Sportart in der Nische, aus der sie jährlich einmal in Form der WM medienwirksam ausbricht, ganz wohl? „Das Interesse ist enorm angewachsen in den vergangenen Wochen“, hat Marko Puls bemerkt. Es gebe plötzlich sehr viel mehr Turniere, und die Teilnehmerzahlen stiegen deutlich an. „Ich bin mir sicher, es ist kein Nischensport mehr.“ Das kann er auch beim Blick auf sich selbst belegen – immer häufiger muss Puls zum Thema Darts bei Freunden oder Kollegen Rede und Antwort stehen.

Bestätigung kommt von Manuel Porubek. „Die Sportart wird von Jahr zu Jahr größer, und in den Vereinen bleiben immer Leute hängen“, sagt er. Auch die Tatsache, dass beim Verband PDC, dessen WM die Massen jeweils über den Jahreswechsel nach London zieht, die Preisgelder durch die Decke schnellen, belege: Darts wird immer angesagter. Im kleinen Rahmen beobachtet Porubek es in der eigenen Abteilung. Die startete im August 2021 mit acht Mitgliedern, inzwischen sind es mehr als 30.

Sportart? Oder bloß Kneipen-Zeitvertreib?

Darts als Sportart – wie in Kornwestheim sogar als Abteilung eines Sportvereins – will jedoch im Verständnis vieler nach wie vor nicht so ganz ankommen. „Ja, der Begriff ‚Sport’ ist dehnbar“, sagt Marko Puls. Darts setze jedoch physisch und psychisch einiges voraus. „Ist Snooker dann auch kein Sport?“, fragt er im Gegenzug.

Ins Detail geht Manuel Porubek. Er empfiehlt, einmal bei einer dreistündigen Trainingseinheit beim SVK mitzumachen. „Ich denke, ‚Mentalsport’ trifft es ganz gut“, sagt er. Nach einer Partie in der Liga oder bei einem Turnier, die gut und gerne eine Dreiviertelstunde dauern könne, sei der Kopf komplett leer. Auch die Hand-Auge-Koordination müsse funktionieren. „Da ist der ganze Körper mit dabei“, sagt Porubek, der erst kürzlich wieder gemerkt hat, wie sehr Darts ihn anstrengt: „Kurz nach dem Jahreswechsel haben wir unsere Vereinsmeisterschaften ausgespielt. Das Turnier hat elf Stunden gedauert, um 1 Uhr war ich im Bett.“ Und am Folgetag habe er einfach überhaupt nichts gemacht, außer sich zu erholen.

Unterscheidung zwischen Steeldarts und E-Darts

Darts bis mitten in die Nacht? Bestätigt dies das „Kneipen-Image“, mit dem der Sport nach wie vor hadert? „Man muss unterscheiden zwischen Steel- und E-Dart“, klärt Manuel Porubek auf. Letzteres – also die Variante, Pfeile mit Plastikspitzen auf eine elektronische Scheibe zu werfen – sei in der Tat viel verbreiteter. „Und die Mannschaften tun sich tatsächlich häufig in Kneipen zusammen“, fügt Porubek hinzu. Beim Steeldarts, also der Variante mit Stahlspitzen und Scheiben aus Sisal, müsse man in einem Verein sein, um am Ligabetrieb teilnehmen zu können. „Und bei Turnieren gibt es eine Kleiderordnung. Da wird sehr darauf geachtet, dass die Etikette passen.“ Zudem müsse die Location Automaten- und rauchfrei sein.

Dass im „Ally Pally“ alljährlich die Party im Publikum groß ist, steht dazu dann wohl auch nicht im Gegensatz. Dass Darts ein Arbeitersport ist, daran lässt jedoch auch Porubek keinen Zweifel. „Jeder, der da im Alexandra Palace auf der Bühne steht, hatte vorher einen normalen Beruf“, betont er. Von den Meriten eines Gabriel Clemens ist man beim SVK jedoch noch weit entfernt: Das Team tritt in der Kreisliga ganz unten an.

Steeldarts: Ligen-Konstrukt und Regelwerk

Ligen
 Dachverband in Baden-Württemberg ist der Baden-Württembergische Dartsverband (BWDV), dort ist zum Beispiel die BW-Liga angesiedelt. Für die Ligen darunter gibt es die „Dart Liga Schwaben“ (DLS) und die „Badische Dart Liga“ (BDL). Die DLS vereint zwei Bezirks- und vier Kreisligen.

SV Kornwestheim
 Der SVK zum Beispiel spielt in der Kreisliga 3, steht auf Rang zwei und ist nach sechs Partien noch ungeschlagen. Am vergangenen Samstag gab es nach einem 0:4-Set-Rückstand ein 5:5-Remis gegen den Tabellenführer aus Reutlingen. In der Kreisliga treten die Teams zu viert mit zwei Ersatzspielern an.

Regelwerk
Der Durchmesser der Spielfläche auf der Scheibe beträgt 34 Zentimeter. Der äußere Ring markiert die Doppel-, der innere Ring die Dreifachfelder. Die Mitte der Scheibe, das „Bullseye“, hängt exakt 1,73 Meter über dem Boden. Die Spieler werfen aus 2,37 Metern drei Pfeile hintereinander auf ihr Ziel. Dabei versuchen sie bei der WM, in jedem Durchgang („Leg“) so schnell wie möglich von 501 Punkten auf Null zu kommen. Der letzte Pfeil muss in einem Doppelfeld landen. Am schnellsten geht dies mit neun Würfen (der seltene „Neun-Darter“). Drei Legs bilden einen „Set“. Im WM-Finale muss ein Spieler sieben Sets gewinnen – in einem Kreisligaspiel drei.