Er reist wieder als angeblicher kasachischer TV-Mann durch die USA: Sacha Baron Cohen alias Borat. In „Borat Movie Anschlussfilm“ beim Streamingdienst Amazon Prime Video ist er so komisch und manchmal so übel geschmacklos wie immer. Aber Trumps Amerika wirkt noch viel irrer als er.

Stuttgart - Rudolph W. Giuliani, Anwalt, Berater und Beißhund von US-Präsident Donald Trump, muss sich mit einer seltsamen Frage herumschlagen: Warum und wie tief er seine Hand in seine eigene Hose gesteckt hat, rückwärts auf einem Hotelbett liegend, in Gesellschaft einer jungen Frau, die gerade im Zimmer nebenan ein Interview mit ihm geführt hatte. Mit dieser Szene wird für den neuen Film des ernst zu nehmenden Amoksatirikers Sacha Baron Cohen geworben, der auch in Deutschland gerade frisch beim Streamingdienst Amazon Prime Video gestartet ist: „Borat Anschluss Moviefilm“.

 

Versteckte Kamera

Man habe ihm eine Falle gestellt, wütet Giuliani, er habe nichts Böses getan, sich nur das Hemd zurechtgeschoben, das aus der Hose gerutscht sei, als man ihm das Mikrofon abgemacht habe. Mit Ersterem hat der Ex-Bürgermeister von New York fraglos recht, mit Zweiterem vielleicht auch. Cohen arbeitet mit einer Mischung aus Versteckter-Kamera-Belauerungen und offen gedrehten Szenen, in denen er und seine Mitverschwörer ihre Opfer nasführen. Er reist wieder wie vor vierzehn Jahren in „Borat“ als angeblicher kasachischer TV-Journalist durch die USA und verstrickt die Menschen, denen er begegnet, in eskalierende, absurde, manchmal auch die erweiterten Geschmacksgrenzen überschreitende Veräppelungen.

Vielleicht wäre Giuliani in der Situation, die einer geheimdiensttypischen Honigfalle ähnelt, wirklich nicht weitergegangen. Es kommt nicht zur Probe aufs Exempel, denn der halb nackte Cohen alias Borat platzt nun ins Zimmer und schreit, die Reporterin sei seine junge Tochter: „Viel zu alt für Sie, nehmen Sie mich!“, gefolgt von detaillierteren Angeboten. Der eigentlich als jähzornig bekannte Giuliani tut das Richtige, er zieht sich umgehend und erstaunlich gefasst zurück. Doch die ganze in den USA nun geführte Diskussion über diesen Filmausschnitt fokussiert aufs Falsche. Der eigentliche Skandal ist das, was der Trump-Intimus Giuliani vorher in dem vermeintlichen Interview sagt: Die Chinesen hätten das Coronavirus im Labor gezüchtet und vorsätzlich die ganze Welt damit infiziert.

Schmerzhaft wahr

Cohen folgt dem Glaubenssatz, Satire sei zu milde, wenn man sie genussvoll zurückgelehnt konsumieren könne. Seine fiesen Späße über die rückständigen Staaten Osteuropas, über verklemmte Frauenbilder, über den latenten Antisemitismus in allen Gesellschaften und über anderes sind mal zum Brüllen komisch, mal schmerzhaft wahr, mal schockierend grob und vulgär. Das ist aber keine bloße Geschmacksentgleisung. Cohen justiert hier eine Messapparatur.

Er will ja, dass wir ächzen: „Das ist völlig irre, das geht gar nicht.“ Und dann zeigt er uns reale Szenen, die diesen Wahnsinn überbieten. Er trifft QAnon-Verschwörungsgläubige, Schönheitschirurgen und Eisenwarenhändler, die er anstrengungslos zu allem bringt: zum Beratungsgespräch über den besten Käfig für eine junge Frau etwa.