Bosch zeigt erstmals, wie der neue Campus aussehen wird. Die Einbindung in die Stadt hat hohe Priorität.

Leonberg: Thomas Slotwinski (slo)

Leonberg - Gerd Kruspel kann sich noch gut an damals erinnern: Dort wo einst Baracken einer Textilfirma standen, ließ sich 1960 Motometer nieder, ein erfolgreicher Hersteller von Tachometern und anderen Mess- und Steueranlagen.

 

Für die Mitarbeiter folgte eine gute Zeit: Leonberg wurde zum Hauptsitz des an vier Standorten arbeitenden Unternehmens. „Als wir 1991 von Bosch übernommen wurden“, so erinnert sich der einstige Motometer-Mann, „hatten wir große Hoffnung auf eine gesicherte Zukunft.“

Doch die positiven Erwartungen währten nicht lange. Nur vier Jahre später wollte Bosch den Leonberger Standort schließen. „Doch die Belegschaft hat sich erfolgreich gewehrt“, erinnert sich Kruspel an jene bewegten Zeiten.

Heute ist er stellvertretender Vorsitzender eines Betriebsrats, der für rund 3000 Beschäftigte zuständig ist. Zwei Drittel davon arbeiten zwischen Poststraße und Daimlerstraße, weitere 1000 in Weilimdorf und Feuerbach, gehören aber zum Standort Leonberg.

Absoluter Innovationsstandort

Von Schließen ist lange keine Rede mehr. Im Gegenteil: Bosch Leonberg ist ein absoluter Innovationsstandort. Hier werden Systeme für die Fahrerassistenz und das autonome Fahren entwickelt. Die Vorstellung, dass man sich eines Tages ins Auto setzt und der Wagen dann von selbst los rollt ist keineswegs Utopie und nicht mehr weit weg, sagen die Ingenieure.

An den kleinen „Helferlein“, wie es der Standortsprecher Holger Scharf ausdrückt, arbeiten in Leonberg Menschen aus 63 Nationen. Junge Menschen, wie der Personalleiter Frank Maisch erklärt: „Das Durchschnittsalter liegt bei 37,7 Jahren und sinkt weiter.“ Pro Jahr würden bis zu 450 Mitarbeiter eingestellt.

Dass es bei dieser Dynamik schnell eng wird, liegt auf der Hand. Deshalb nutzte das Management vor anderthalb Jahren die Chance, das 40 000 Quadratmeter große Areal des Möbelhauses Hofmeister zu kaufen. Auch nebenan griff Bosch zu: Als der Felgen-Veredler Fuchs seinen Auszug verkündete, wurden die 18 000 Quadratmeter ebenfalls erworben.

Seit dem Jahreswechsel ist es ernst geworden: Der helle Klotz an der Ecke Römerstraße/Poststraße wird abgerissen. Anfang März soll vom ursprünglichen Möbel Mutschler nichts mehr zu sehen sein.

Was dort entstehen wird, das zeigte das Unternehmen jetzt erstmals der Nachbarschaft: Die Anwohner wurden in die Bosch-Kantine eingeladen, um sich dort anhand eines Modells und verschiedener Pläne einen Eindruck zu verschaffen, wie es in ihrer Umgebung in gut drei Jahren aussehen wird. Solange wird es dauern, bis die Campuslandschaft vollendet ist.

Innenhöfe und Atrium

Spektakulär ist ein passender Begriff für das, was der Architekt Wolfgang Mayer und sein Team vom Stuttgarter Architekturbüro „h4a“ kreiert haben: Auf dem alten Möbelhaus-Gelände entsteht ein sechsstöckiges gut 26 Meter hohes Bürogebäude, das von Nord nach Süd terrassenförmig nach unten geht. Die Zwischendächer sind grün und begehbar. Es gibt zwei Innenhöfe und ein Atrium.

Im Erdgeschoss ist eine Passage mit Gastronomie und einer Kindertagesstätte geplant, die nicht nur für den Nachwuchs der Mitarbeiter vorbehalten ist. Drunter gibt es zwei Tiefgaragen für 250 Autos und 200 Räder. Das Parkhaus gegenüber bleibt, der Fußgängersteg wird abgerissen.

In einem zweiten Schritt entsteht auf dem alten Fuchs-Gelände ein ebenfalls terrassenförmig angelegtes Haus, das von der Anmutung her an ein Raumschiff erinnert. Herzstück ist eine Kantine mit 800 Plätzen, in der täglich 2500 Essen ausgegeben werden. Ein Saal und Büros in Querriegeln gehören ebenso dazu. Ist dies alles bis 2023 geschafft, will Bosch auf dem bisherigen Dorfner-Gelände ein weiteres Parkhaus errichten.

Moderne Mobilität

Im Mittelpunkt aber, so versichert Uwe Osterholz von der Bauabteilung, stehen moderne Mobilitätskonzepte, bei denen der Individualverkehr möglichst vermieden werden soll. Gemeinsam mit der Stadt will das Unternehmen buchstäblich neue Wege gehen, etwa Schwachstellen des Radwegenetzes analysieren, die Wege zum Bahnhof verbessern und den Nahverkehr in der gesamten Stadt optimieren. Vorbild könnte ein mit W-Lan ausgestatteter Mitarbeiterbus sein, wie er zum Renninger Forschungszentrum fährt.

„Wir sind ein Teil der Stadt und möchten uns öffnen“, versichert Matthias Buck, der für das Bauprojekt zuständig ist. Das hört Klaus Brenner gerne. Der Baubürgermeister kündigt im Gegenzug an, die Poststraße aufzuwerten, damit sie sich dem neuen Ambiente optisch angleicht.