Die Bosch Pitch Night, bei der interne Innovationsteams in Start-up-Manier ihre Projekte präsentieren, ist in die fünfte Runde gegangen. Erstmals hat der Konzern einen Einblick in die bisher interne Veranstaltung gewährt.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Reutlingen - Die Start-up-Rituale bekommt Bosch schon gut hin: 300 Zuschauer auf Bierbänken in der von alten Autos leer geräumten Halle des Oldtimerdepots in Reutlingen, fetzige Musik, zwei enthusiastisch Stimmung machende Moderatoren, in Regenbogenfarben schimmernde Leuchtstäbe zum Applaudieren – und alles auf Englisch. Zum fünften Mal hat man zum Präsentationsfinale geladen, um interne Start-ups für eine erste oder zweite Finanzierungsrunde auszuwählen.

 

Der Andrang ist größer denn je: 184 konkrete Projekte konkurrierten um die neun Finalplätze. „Damit hat sich die Teilnehmerzahl im Vergleich zur letzten Runde verdoppelt – und im Vergleich zur Premiere im Jahr 2016 sogar versechsfacht“, sagt André Hedler, Leiter der zentralen internen Innovationsplattform von Bosch, die seit drei Jahren in Reutlingen das für interne Start-ups nötige Know-how und die Infrastruktur bündelt.

Die Auswahl wird immer härter

Wer in der Halle vor einer Jury aus dem Management und einem Bosch-Mitarbeiterpublikum für sieben Minuten auftreten darf, hat nicht nur die harte Vorauswahl hinter sich, sondern auch ein Präsentationstraining. „Die Qualität der Einreichungen ist stetig gewachsen, und auch die Auswahl wird immer härter“, sagt Harald Kröger, der Chef des Bereichs Auto-Elektronik, unter dessen Dach das Start-up-Projekt angesiedelt ist. Teams kommen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Australien, China, Ungarn oder den USA.

Vom besseren Bike Sharing bis zu intelligenten Sensoren

Die Sieger beim erstmals abgehaltenen Mitarbeitervotum erhalten gleich zu Beginn der Veranstaltung symbolisch einen Scheck über 200 000 Euro überreicht. Das Viererteam von Bikes Guardian Angel (Fahrrad-Schutzengel) ist aus China eingeflogen. Das Bosch-Start-up zielt auf einen Markt, wo sich heute 300 Millionen Nutzer 23 Millionen Fahrräder teilen. „Bisher gibt es kein Rezept, wie wir mit Vandalismus umgehen“, sagte der Präsentator. Sensoren sollen Informationen über die Räder übermitteln. Das Demo-Video zeigt es: Ein Rad wird umgestoßen. Auf einer Überwachungslandkarte leuchtet prompt die Warnung auf: „Fahrrad umgefallen.“

Oft verknüpfen die Projekte bestehende Bosch-Kompetenzen etwa im Bereich der Hardware mit innovativen IT-Lösungen. Ein deutsches Team namens Share & Connect will ein System entwickeln, bei dem die Betreiber sogenannter Sharing-Plattformen aktuelle Daten über die verliehenen Geräte bekommen. Um die Aufrüstung von Sensoren mit künstlicher Intelligenz geht es dem Team On The Edge. Es will erreichen, dass etwa Sensoren, die den Verkehr überwachen, selbstlernend nur relevante Daten herausfiltern.

Autonomes Arbeiten – aber keine Unternehmensanteile

Das interne Start-up-Programm, das den Kulturwandel im Unternehmen befördern möchte, soll gerade bei der Entwicklung von neuen digitalen Geschäftsfeldern mehr Tempo und Beweglichkeit erlauben. Nicht nur die hippe Präsentation, auch die Arbeitsweise und eine gewisse Autonomie hat man sich von Start-ups abgeschaut. „Das Team kann beispielsweise über sein eigenes Budget entscheiden“, sagt der Start-up-Koordinator Hedler. Und implizit wird auch ein Engagement jenseits einer Fünf-Tage-Woche erwartet. Um weiterzukommen, müssen die Teams nicht nur ihre Prototypen entwickeln, sondern auch Kunden finden – das können auch Bereiche innerhalb von Bosch sein. „Es ist nicht leichter, interne Partner zu gewinnen als externe“, sagt der Bosch-Manager Harald Kröger. „Das sind die anspruchsvollsten Kunden.“

Die Konzern Start-up-Welt ist anders

Doch wer in der Halle genau hinschaut, der merkt, dass die Konzern-Start-up-Welt ein bisschen anders ist. Aufwendige Videos, Teleprompter, allumfassende Betreuung – das können sich gewöhnliche Gründer nicht leisten. Immerhin: Es gibt Currywurst. Der Konzern nimmt den Beteiligten das unternehmerische Risiko ab. Bei den vier von den bisher 16 geförderten, internen Start-ups, die nicht erfolgreich waren, bedeutete das für die Beteiligten weder Ruin noch Karriereknick. Im Gegenteil: Sie wurden auf der Veranstaltung als Vorbilder gelobt. Andererseits ist bisher nicht vorgesehen, dass eigenständige Unternehmen entstehen. Weder externes Kapital noch Unternehmensanteile für die Teammitglieder sind ein Thema. Das geistige Eigentum bleibt bei Bosch. Über die Mehrzahl der auf der „Pitch Night“ präsentierten Konzepte darf nichts publiziert werden. Harald Kröger hält interne Entrepreneure aber für genauso dynamisch wie echte Start-up-Gründer: „Ich sehe bei der Leidenschaft für die Sache keinen Unterschied. Die brennen genauso.“ Die Ideen profitierten zudem vom Know-how und von den Absatzmärkten des Konzerns: „Im Übrigen kann man sich schon auch mal fragen, ob permanenter ökonomischer Druck, unter dem Start-ups sonst stehen, wirklich Innovation fördert.“