Der Boxweltmeister Marco Huck hat den Stuttgarter WM-Kampf im Cruisergewicht gegen Firat Arslan per TKO in der sechsten Runde für sich entschieden. Nun zieht es den 29-Jährigen ins Schwergewicht.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Da saß er nun tief in der Stuttgarter Nacht im Gymnastikraum der Schleyerhalle, mit einem dicken Veilchen unter dem linken Auge – und war untröstlich. „Ich habe nicht meine Leistung gebracht. Das tut mir leid für die Fans“, sagte der Lokalmatador Firat Arslan aus dem Filstal, nachdem er in seiner 25-jährigen Karriere als Boxer erstmals auf die Bretter musste. Dennoch hatte Arslan gegen Marco Huck letztlich etwas gewonnen: Es war die Hochachtung des Siegers, was bemerkenswert ist, weil der zuweilen großmäulige „Käpt’n Huck“ bisher nicht für Gefühlsduseleien bekannt war.

 

Doch Arslan, dieser untadelige, 43 Jahre alte Sportsmann, „ein genetisches Wunder“ (Promoter Kalle Sauerland), hat es Marco Huck angetan. Also erhob sich der alte und neue WBO-Weltmeister im Cruisergewicht in der Pressekonferenz – und zog seinen imaginären Hut. „In diesem Alter so fit zu sein, das verdient meinen Respekt“, sagte Huck nach seinem Erfolg per technischem K.o. in der sechsten Runde: „Du hast mir wieder mächtig Druck gemacht. Das war meine Reifeprüfung.“

Wie im ersten Kampf der beiden, den Huck im November 2012 im westfälischen Halle äußerst umstritten nach Punkten gewonnen hatte, war Firat Arslan sofort kompromisslos nach vorne gestürmt. Mit seiner beeindruckenden Physis, seiner „Kraft von zehn Pferden“ (Huck) machte der Altmeister dem 14 Jahre jüngeren Rivalen gleich mächtig Dampf, entschied die erste Runde für sich und hatte in den nächsten drei zumindest keine Nachteile. „Es gibt nicht viele Boxer, die eine solche Phase überstehen“, zollte sich Marco Huck zur Abwechslung einmal selbst Respekt.

Felix Magath hat Zweifel an der Kampfstrategie

Dann kamen vor 11 000 Fans in der vollgepackten Schleyerhalle aber die Schwachpunkte im Kampfplan des frenetisch angefeuerten Arslan ans Scheinwerferlicht. „Er kennt nur den Vorwärtsgang“, stellte der Fußballtrainer Felix Magath in Stuhlreihe eins zunächst besorgt fest, ehe der Box-Fachmann, Exweltmeister Sven Ottke, etwas konkreter wurde: „Firat marschiert zwar ohne Ende. Aber seine Hände haben keinen Druck. Die schiebt er nur.“

Was dagegen passiert, wenn Marco Huck auf Betriebstemperatur ist, war dann in den Runden fünf und sechs zu sehen. „Die rechte Gerade zum Körper war der Schlüssel zum Erfolg“, analysierte der siegreiche Trainerfuchs Ulli Wegner, nachdem es seinem Schützling erstmals gelungen war, sich Arslan vom Leib zu halten und so die richtige Distanz zu finden. Runde sechs war schließlich ein Beleg dafür, warum viele Leute Marco Huck lieben, einige ihn hassen, ihm aber alle gerne zusehen. „Bei mir ist immer etwas geboten“, sagte der Champion, der Arslan („Das war ein Volltreffer“) zunächst mittels einer Rechten fällte, ihn ein zweites Mal in den Ringstaub schickte und ihn derart mit Schlägen eindeckte, dass der Ringrichter Marc Nelson das nun ungleiche Duell nach 1:56 Minuten von Runde sechs abbrach.

„Da hat man mal wieder gesehen, welche Urgewalt in Marco steckt“, sagte dessen Chef Kalle Sauerland in einem Anflug von aufrichtiger Bewunderung: „Wenn er explodiert, dann wird es für jeden Gegner auf der Welt ganz schwer.“ Klar ist daher, dass es Marco Huck nun in höhere Gefilde zieht. Das Schwergewicht, die Königsklasse des Boxens, ist sein Ziel. Allzu gern möchte sich der 1,88 Meter-Mann, der im Kreise der schweren Jungs ein körperliches Leichtgewicht ist, mit dem schon 37 Jahre alten Wladimir Klitschko noch auf dem Höhepunkt der Schaffenskraft messen. Angst vor derlei Aufgaben, das wurde auch beim Stuttgarter Gastspiel klar, die kennt Marco Huck nicht. Viel lieber vertraut der Wahl-Berliner da auf seine immense Schlagkraft. Mike Tyson, erklärt er, sei ja schließlich gerade mal 1,80 Meter groß: „Wenn ich topfit bin, kann mich kein Cruisergewicht und auch kein Schwergewicht schlagen.“

Während Huck gerne mehr über seine Zukunft verraten hätte, aber vom Management ausgebremst wurde, ist bisher nur klar, dass der 29-Jährige seinen nächsten Kampf am 3. Mai bestreiten soll. Für Firat Arslan stellt sich derweil eine wesentlich existenziellere Frage: Hört der Spätstarter im Ring, der von 2007 bis 2008 Weltmeister nach Version der WBA war, auf – oder macht er etwa weiter?

Während Arslan erst ausspannt und sich mit dem Team beraten will, gab ihm der deutsche Box-Grandseigneur einen Rat mit auf den Lebensweg. „Als Promoter würde ich sagen: Mach mal ruhig weiter“, erklärte der 73-jährige Seniorchef Wilfried Sauerland: „Aber als Mensch sage ich: Hör auf. Solche Schläge bleiben nicht ohne Spuren.“