Robert Stieglitz redet nicht viel, der 33-Jährige lässt lieber die Fäuste sprechen. Vor dem Kampf gegen Felix Sturm in der Stuttgarter Porsche-Arena sagt er nur: „Ich denke, dass ich der bessere Boxer bin.“

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Robert Stieglitz überzeugt nicht als Redner. Anders als bei Felix Sturm, seinem mitteilungsbedürftigen Gegner an diesem Samstag in der Porsche-Arena, liegt für den Boxer in der Kürze die Würze. Einer wie Stieglitz spricht mit den Fäusten. „Ich denke, dass ich der bessere Boxer bin“, murmelt er nur so vor sich hin, die weiße Schirmmütze tief ins Gesicht gezogen – Ende der Durchsage.

 

Felix Sturm, der vor diesem Boxkampf eher Salven an Statements losfeuert, registriert die selbstbewusste Aussage des wortkargen Gegners genau. Stieglitz muss nicht viel reden, er ist der Mann fürs Grobe. Der Magdeburger SES-Boxstall schickt ihn ins Seilgeviert, damit er in seiner Sprache für klare Verhältnisse sorgt, was nichts anderes bedeutet als das: Körperspannung halten, Vorwärtsgang einlegen – immer feste drauf. Das zeichnet ihn aus.

Während Sturm bei dem Ausscheidungskampf um eine WM-Chance gegen Arthur Abraham am Samstag (22.30 Uhr/Sat 1) als Techniker in den Ring steigt, ist Stieglitz eher das, was man einen echten Haudrauf nennt. Wenn seine Rechte durchkommt und richtig zündet, sieht der Mann auf der anderen Seite die Sterne, so könnte es auch Sturm gehen.

Stieglitz’ Punch ist Gold wert

Dieser kompakte, kräftige Boxer Stieglitz ist das Aushängeschild des SES-Teams. Sie hegen und pflegen ihn. Er ist bereits 33, doch solange er über seinen kompromisslosen Punch verfügt, ist er Gold wert. Stieglitz, die Maschine, gilt momentan als aktivster deutscher Boxer, seit 14 Jahren hält er für SES sein Kinn hin. So hat er auch die meisten Profikämpfe absolviert, wurde zweimal Weltmeister im Supermittelgewicht – und wenn er jetzt auch noch Sturm aus der Arena prügelt, winkt der Kampf gegen den Boxriesen Abraham und damit ein stattliches Schmerzensgeld. Gegen Abraham hat Stieglitz zwar zweimal verloren, doch einmal hatte er ihn auch ordentlich verhauen.

Mit ihrer immer noch gut geölten „Lokomotive“, wie die Magdeburger ihren Frontmann nennen, wollen sie noch so lange wie möglich erfolgreich Kasse machen. „Er wird gewinnen“, sagt deshalb der SES-Promoter Ulf Steinforth fast gelangweilt, als gebe es kein anderes Ergebnis. „Er kann nicht viel, aber das, was er kann, kann er gut“, sagt derweil Sturm über Stieglitz aus der herablassenden Perspektive eines technisch versierten Boxers. Allerdings fehlt dem Leverkusener bosnischer Herkunft selbst so ein K.-o.-fähiger Schlag wie ihn Stieglitz besitzt. Sturm tut also gut daran, seine Deckungsarbeit zu keiner Sekunde zu vernachlässigen.

Meisterprüfung gegen Abraham

Famose 27 K.-o.-Siege sprechen für die harte Rechte von Stieglitz. Der Russlanddeutsche hieß mit Vornamen einmal Sergej. Diesen haben sie im Ansinnen, ihn zu einem echten deutschen Boxer zu machen, in den „hochmodernen“ Namen Robert verwandelt. 1981 wurde Stieglitz in Jejsk in der Region Krasnodar geboren. Der freundliche Geselle eher schlichten Gemüts kam 2001 als Aussiedler nach Magdeburg. Seinen ersten und letzten Kampf verlor er gegen Abraham knapp, aber verdient – doch seine Meisterprüfung bestand er im Aufeinandertreffen dazwischen. Da hatte Stieglitz den Rivalen so vermöbelt, dass der Arzt diesen wegen eines zugeschwollenen Auges aus dem Ring nahm.

Kurzzeitig traurige Berühmtheit erlangte Stieglitz vor wenigen Jahren, auch das gehört zu seiner Vita. Damals stand er vor Gericht, weil er seinen Schwiegervater mit einem Vierkantholz verprügelte. Doch der Boxer wurde freigesprochen – die Ermittlungen ergaben, Stieglitz habe aus Notwehr gehandelt. Der Schwiegervater, von dessen Tochter der Boxer längst geschieden ist, war offenbar betrunken und hielt eine Eisenstange in der Hand.

Der erstaunlich ruhige Robert Stieglitz ist emsig. So erwarb er zwischen seinen Kämpfen durch ein dreijähriges Fernstudium an der Universität Jejsk sein Diplom als Sportlehrer – für das Leben danach ist er gerüstet. Doch erst einmal gilt vor dem Duell zweier Altmeister das Interesse dem immerhin auch schon 35-jährigen Felix Sturm, der Anfang der Woche große Augen machte, als Stieglitz doch noch einen verbalen Wirkungstreffer erzielte: „Früher war der Felix explosiver“, sprach Robert Stieglitz. Dann stand er auf, ließ sich von seiner Entourage auf die Schultern klopfen und ging seines Weges. Die Botschaft kam durchaus an.