„Boybands Forever“ lässt die Zeiten von Take That wieder aufleben – am 27. Februar in der Porsche-Arena. Wie war das früher? Wir berichten von Ekstase und Nervenzusammenbrüchen.

Stuttgart - Süße Jungs, die ihre Hüften kreisen lassen und ihre Lippen synchron zum Play-back bewegen können: In den 90er Jahren war das für viele Mädchen ein Grund, komplett auszuflippen. Sieben Kollegen erinnern sich.

 

New Kids on the Block

Wer ist süßer: Robbie oder Nick? Das Boygroup-Fieber spaltete die Pausenhof-Cliquen in Take-That-Schmachterinnen und Backstreetboys-Jüngerinnen. Die einzig wahren Boy-Groupies waren natürlich Fans von New Kids on the Block – die Wegbereiter für alle Milchzahn-Popper. Mit den Jungs um Jonathan und Jordan Knight erfuhr die weibliche Fan-Hysterie eine neue Dimension. Was bei weitsichtigen Fans dazu führte, sich anderen, nicht ganz so unerreichbaren Stars zuzuwenden. Neben der ersten LP des Lebens – „Hangin‘ tough“ von NKOTB – stand ganz schnell „Nach uns die Sintflut“ von Die Ärzte im Regal. Die Chance auf einen Flirt mit Farin Urlaub war einfach höher.

Bay City Rollers

Es muss der nackte Oberkörper von Sänger Leslie McKeown gewesen sein. Die Musik („Bye bye Baby“) war nicht daran schuld, dass mir Mitte der 70er Jahre einen kurzen Sommer lang die Bay City Rollers gefielen. Auch nicht die Hochwasserhosen, die die Boys aus dem schottischen Edinburgh bei den Auftritten trugen und ganz sicher nicht ihre Föhnfrisuren. Denn eigentlich war ich ja „Sweet“-Fan und stand nur auf Jungs mit langen Haaren. War es das Schottenkaro, durch dessen Tragen man sich leicht als BCR-Anhängerin zu erkennen geben konnte? Nein, es muss wohl der nackte Oberkörper gewesen sein.

Pur

Cool ist was anderes. Aber meinem achtjährigen Ich war das egal. PUR waren für mich die größten. Das Album „Abenteuerland“ hörte ich, zum Leidwesen meiner Mutter, in Dauerschleife. Meine Lieblingstante hatte mir die Platte geschenkt. „Abenteuerland“ war eine meiner ersten CDs überhaupt und schon aus diesem Grund für mich immens wertvoll. „Ganz egal“, „Es tut weh“, „Ruhe“: Nach ein paar Tagen konnte ich alle Lieder auswendig. Hartmut Englers sanfte Stimme machte mich glücklich. Die eingängigen Texte sowieso. Allerdings nur bis zum Folgealbum, „Mächtig viel Theater“. Als 2000 „Mittendrin“ erschien, hörte ich schon deutschen Hip-Hop.

Caught in the Act

Es waren noch unschuldige Zeiten, als ich eines Tages beim Blättern in der „Bravo“ auf Caught in the Act stieß. Ich gebe zu: Vor allem „Benji“ hatte es mir angetan. Eine Taschengeldauszahlung später strahlte der smarte Niederländer von der Dachschräge auf mein Mädchenbett hernieder. Ich blinzelte des Abends selig zu ihm hinauf. Die Sticheleien meines Vaters ob des „halb nackten Jünglings“ über meinem Nachtlager ertrug ich mit all der Gelassenheit, die ich mit meinen zehn Jahren aufbringen konnte. Ich konnte ja nicht ahnen, dass „Benji“ sich in ferner Zukunft in einer Show namens „Dschungelcamp“ zum Affen machen würde, dann angeblich seine Freundin verprügeln und. . . Wie gesagt: Es waren unschuldige Zeiten.

Blur

Eine Boygroup ohne Choreografien. Blur waren die Widersacher von Oasis, als Britpop das nächste große Ding war. Und sie funktionierten für vier Mädchen aus der Provinz genau so wie eine klassische Boyband: Eine war Fan von Schnuckelchen Damon Albarn, die andere vom blasierten Alex James, eine vom schüchternen Schlagzeuger Dave Rowntree und eine vom verhuschten Graham Coxon. Die vier Mädchen fuhren mit Bummelzügen zum Konzert nach Köln, ohne eine Übernachtungsmöglichkeit zu haben und ohne ihren Eltern davon zu erzählen. Was man als Fan eben so macht. Das einzig Nicht-Boygroupeske: Man kann alle vier heute noch gut finden.

Backstreet Boys

Ich war vielleicht elf, als ich mich unsterblich in den blonden Pisspottschnitt von Nick Carter verliebte. Der Sänger der Backstreet Boys (BSB) war für mich der Inbegriff der Schönheit: blonde Haare, blaue Augen, süßes Lächeln. Was meine Eltern wohl mit dem Poster von ihm gemacht haben, das auf Augenhöhe meines Bettes hing und das ich jeden Abend anschmachtete?

Kiss

Zwar Rock ’n’ Roll, dennoch eine Boygroup aus dem Bilderbuch: Jedem Musiker war eine Charakteristik zugeordnet, und ihre Merchandise-Palette reicht heute von der Versperdose bis zum Sarg. Zur Erfolgssicherung wurde Gitarrist Ace Frehley sogar noch auf Plattencovern geführt, obwohl er viel zu betrunken war, sich musikalisch zu beteiligen. Heute trägt ein anderer Gitarrist sein Make-up. Die Reunion in Originalbesetzung: ausgeschlossen. Ace passt nicht mehr in sein Kostüm von damals. So viel Oberflächlichkeit muss erlaubt sein.