Die Vereinsspitze spricht in einem Brandbrief von „existenzbedrohenden Umsatzeinbrüchen und einem Sponsorenausfall“. Die Kultureinrichtung auf dem Pragsattel benötigt 600 000 Euro. „Gauthier Dance“ ist besonders betroffen.

Stuttgart - Dem Theaterhausverein droht wegen einer Deckungslücke von 600 000 Euro die Pleite. „Aus eigener Kraft“ könne die Kultureinrichtung auf dem Pragsattel diesen Verlust nicht ausgleichen. Deshalb bitten der Vereinsvorsitzende Joachim Bark und der Geschäftsführer Werner Schretzmeier in einem Brandbrief an Land und Stadt um einen einmaligen Zuschuss in dieser Höhe. So sollen „existenzbedrohende Umsatzeinbrüche und der teils kurzfristige Ausfall von Sponsoren“ kompensiert werden. „Der überaus lange und heiße Sommer“ sowie die Schließung des Hauses im August wegen des Einbaus einer Brandmeldeanlage hätten ein Minus von 300 000 Euro zur Folge gehabt. Die Besucherzahlen von April bis September seien um 12 000 unter dem Schnitt der letzten zehn Jahre gelegen. Jährlich würden rund 300 000 Besucher gezählt.

 

Nun seien „unerwartete Einbußen bei den Sponsoren von 300 000 Euro für 2019 dazugekommen“, die zum überwiegenden Teil das Ensemble „Gauthier Dance“ betreffen. Der Einbruch sei in diesem Maße nicht vorherzusehen gewesen. 2017 habe man für den Doppelhaushalt 2018/2019 von allen Sponsoren Zusagen gehabt.

600 000 Euro von Land und Stadt

„Zur Abwendung einer drohenden Insolvenz“ solle die Stadt gemäß dem Förderschlüssel 400 000 Euro bezahlen und das Land 200 000 Euro. Wegen der Vereinsstruktur habe man keine Rücklagen bilden können. Die Liquidität sei aktuell aber gewährleistet. Bereits im Jahr 2012 sei vom Theaterhaus der langfristigen Finanzbedarf, der nicht durch Einnahmensteigerungen erwirtschaftet werden könne, aufgezeigt worden. „Da die Zuschüsse nicht in dem beantragten Maße erfüllt wurden, kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Engpässen und negativen Jahresergebnissen, die jedoch in den jeweiligen Folgejahren ausgeglichen werden konnten“, so Bark und Schretzmeier. Sie weisen darauf hin, es sei „Dringlichkeit geboten“, da spätestens bei der Bilanzerstellung Ende April „eine positive Absichtserklärung vorliegen muss“.

Der Fall erinnert Stadträte fatal an die Probleme des benachbarten Varietés. Auch diese Kultureinrichtung war nach dem Wegfall eines Sponsors am Rand einer Pleite gestanden und musste von der Stadt gerettet werden. Mittlerweile erhält es sogar eine regelmäßige Förderung von 100 000 Euro jährlich. Die Unterstützung des Theaterhauses bewegt sich in anderen Dimensionen: der städtische Zuschuss für den Verein beläuft sich in diesem Jahr auf 1,7 Millionen Euro, hinzu kommt der kürzlich verdoppelte Instandhaltungszuschuss von 150 000 auf 300 000 Euro, außerdem die Unterstützung für das Tanzensemble „Gauthier Dance“ in Höhe von 337 500 Euro. Deren alle zwei Jahre stattfindendes Festival „Colours“ wird extra mit 175 000 Euro jährlich gefördert. Das Landeswissenschaftsministerium und der neue Stuttgarter Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) sind zurückhaltend. Man werde gemeinsam in die Bücher schauen und dann die Gremien informieren. Der Chef der Grünen-Fraktion im Rathaus, Andreas Winter, betonte: „Das Theaterhaus leistet eine Superarbeit.“ Er denkt vor allem an Gauthiers Gruppe, deren hoher Personal- und Betriebsaufwand die Ausgabenseite stark strapaziert, aber laut Theaterhaus „nicht in Frage steht“.

Jürgen Sauer ist überrascht

CDU-Stadtrat Jürgen Sauer zeigt sich überrascht. Jetzt gehe es um eine „gemeinsame Kraftanstrengung“ von Stadt, Land und Theaterhaus, um die bedrohliche Situation auf Dauer zu entschärfen. „Das Theaterhaus muss über alle Möglichkeiten nachdenken, die Eigeneinnahmen zu erhöhen“, sagt Sauer. Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit.

Im Brief heißt es, der Sponsor Elring-Klinger, ein Kfz-Zulieferer, habe „entgegen seiner ursprünglichen Ankündigungen“ die Förderung von „Gauthier Dance“ in Höhe von jährlich 250 000 Euro ab 2019 gänzlich eingestellt. Der Grund seien „hohe Gewinneinbußen mit gleichzeitigem Verzicht auf Dividendenzahlungen“. Weitere Förderer hätten ihr Engagement ganz oder teilweise reduziert.

Der Vorstandsvorsitzende des Automobilzulieferers, Stefan Wolf, findet die Reaktion der Theaterhausspitze „befremdlich“, die in dem Brief enthaltenen Hinweise auf die angeblich geringere Finanzkraft des Unternehmens „totalen Quatsch“. Die Konjunktur habe sich insgesamt eingetrübt. Wenn im gesamten Haus gespart werde, blieben auch Sponsorenverträge nicht unberücksichtigt. Die Entscheidung sei erst im Februar gefallen. Das sei zwar kurzfristig gewesen, beweise aber auch, „dass wir bis zum Schluss eine Lösung gesucht haben“. Wolf weist darauf hin, nur Ein-Jahres-Verträge abgeschlossen zu haben. 2017 und 2018 habe man „Gauthier Dance“ unterstützt.