Die Maibaumsaison hat begonnen: In Hemmingen ist am Donnerstagnachmittag ein mehr als 20 Meter hoher Baum aufgestellt worden. Der Stamm und die 23 Zunftzeichen sind 32 Jahre alt. Anderswo wird das Maibau-Brauchtum am Wochenende gelebt.

Strohgäu - Manfred Gutbrod erinnert sich noch ganz genau: Das erste Mal geschah es in den Tagen der Tschernobyl-Katastrophe Ende April 1986. Da haben sie unter seiner Anleitung in Hemmingen zum ersten Mal den Maibaum aufgestellt, der heute noch verwendet wird – mit Ausnahme der jedes Jahr frischen Tanne an der Spitze. An diesem Donnerstag war es auf dem Alten Schulplatz wieder soweit: Vier Männer des Bauhofs und ein Zimmermann brachten den Baum aus dem Lager, Schulkinder befestigten gelbe und blaue Bändel an den Ästen der Weißtanne, dann kam der Baum an den Haken – und zehn Minuten später stand der lange Lulatsch senkrecht. Die 23 Zunftzeichen konnten zwar nicht in der Sonne glänzen, weil die sich hinter den Wolken versteckte, aber sie sind noch immer schöne Zeugnisse des Handwerks, nicht nur im Ort.

 

Mit Kindern aus der Schule hatte Gutbrod vor 31 Jahren die Zunftzeichen, etwa des Glasers oder Dachdeckers, des Flaschners, Fotografen oder Friseurs, des Buchbinders, Optikers oder Steinmetzen, aus Holz gesägt, die Motive skizziert und gemalt und schließlich die bemalten Kunstwerke auf den eisernen Gestellen am Stamm des neuen Maibaums angeschraubt. „Die Buben von einst, die das damals in der Schule gemacht haben“, erzählt Gutbrod, „sind heute als gestandene Männer noch stolz auf ihre Werke.“ In den Jahren zuvor hatte der Spielmannszug am 1.Mai eine kleine Birke aufgestellt und davor ein Platzkonzert gegeben.

Maibaumwache im Gemeindehaus

Der Vorsitzende des ortsgeschichtlichen Vereins erinnert sich noch mit einem Schmunzeln daran, wie sie damals in den Achtzigern in der letzten Aprilnacht im Gemeindehaus „Maibaumwache“ geschoben haben – denn es gab den Brauch, dass die Burschen aus dem Nachbarort anrückten, um das Ding zu klauen. „Einmal haben es die Schwieberdinger probiert, es ist ihnen aber nicht gelungen.“ Bis zurück ins Mittelalter sei der Brauch verbürgt.

Er reiche vermutlich noch weiter zurück, erzählt Catharina Raible, die Leiterin des Gerlinger Stadtmuseum. „Das war ursprünglich etwas Heidnisches“, so die Historikerin, „kommt also aus der vorchristlichen Zeit“. Es gebe große regionale Unterschiede: So seien die Zunfttafeln nicht überall üblich, ein Kranz mit Bändern hingegen schon. Und eines sei auch an jedem Ort dasselbe: „Brauchtum braucht Menschen, die es interessiert und die sich kümmern.“ So wie Manfred Gutbrod in Hemmingen. Einmal mache er es noch, sagt der 66 Jahre alte Lehrer im Ruhestand, „dann habe ich es 33 Jahre lang getan und damit mein halbes Leben“. Das reiche.

Viele Feste am 1. Mai

Anderswo im Strohgäu werden am Wochenende auch noch Maibäume aufgestellt: etwa beim Musikverein in Korntal – am Sonntag um 11 Uhr in der Siebenbürgenstraße, mit anschließendem Fest. Dort wird der Baum sogar ans Haus angebunden, aus Sicherheitsgründen. Oder in Kallenberg, wo sich die Schreberjugend um den Maibaum kümmert. Das Fest findet dort am 1. Mai von 12 bis 18 Uhr statt. In Ditzingen ist die Feuerwehr der „Maibaum-Verein“. Die Heimerdinger bauen ihren Baum am 1. Mai um 8.30 Uhr vor der Verwaltungsstelle in der Hindenburgstraße auf. Um 10.30 Uhr lädt der Liederkranz zum Maibaum-Singen ein. In Schöckingen beginnt die Feuerwehr am Maifeiertag um 8 Uhr damit, den Maibaum aufzustellen.

Auch in Hemmingen wird der Maitag gefeiert; das Fest beginnt um 10 Uhr auf dem Alten Schulplatz, mit Spielmannszug, Gesang, Sportgymnastik und Bändertanz um den Maibaum. Bereits am Tag zuvor lädt der ortsgeschichtliche Verein in den Etterhof ein: am 30. April von 14 bis 17 Uhr geht es um den Flachs – die Pflanze, die man auch zu Gewebe verarbeitete.