Es ist ein plötzlicher Einschnitt bei Hansgrohe: Nach 115 Jahren Unternehmensgeschichte scheidet die Familie Grohe aus dem Management aus.

Stuttgart - Der Einschnitt bei dem Brausen- und ArmaturenherstellerHansgrohe in Schiltach kommt plötzlich. Erst im Juli vergangenen Jahres wurde der Vertrag des 51-jährigen Richard Grohe, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands, vorzeitig bis zum Jahresende 2018 verlängert. Das sei Ausdruck „unserer sehr guten Zusammenarbeit, die wir in den kommenden Jahren fortsetzen wollen“, ließ Aufsichtsratschef Klaus Jaenecke mitteilen. Davon kann keine Rede mehr sein, jetzt scheidet Grohe ebenso wie sein Bruder Philippe (49 Jahre alt), der unterhalb des Vorstands für das Designmanagement verantwortlich ist, zum 31. Oktober aus. Damit verabschiedet sich die Familie nach 115 Jahren Unternehmensgeschichte aus dem Management.

 

Gründe für den Schritt und für den Sinneswandel werden nicht mitgeteilt. Es heißt lediglich, die Brüder wollten „das Unternehmen in Abstimmung mit Aufsichtsrat und Vorstand künftig ausschließlich aus der Gesellschafterperspektive begleiten“. Mehrheitseigentümer von Hansgrohe ist der amerikanische Konzern Masco, der auf die Ausstattung von Häusern spezialisiert ist und mit Hüppe, einem Hersteller von Duschabtrennungen, eine weitere deutsche Tochter im Sanitärbereich hat. Masco hält 68 Prozent der Anteile, die restlichen 32 Prozent liegen bei dem Beteiligungsunternehmen Syngroh, in dem die Familie Grohe ihre Anteile gebündelt hat. An der Verteilung der Anteile soll sich nach Angaben von Hansgrohe nichts ändern; dies bestätigt auch Masco. Die Amerikaner versichern im Übrigen, ihnen seien die Gründe und Motive für den Schritt von Richard und Philippe Grohe „nicht bekannt“.

Mehrmonatige Einarbeitungszeit? Ein Tag genügt!

Vorstandsvorsitzender von Hansgrohe ist seit Oktober 2014 Thorsten Klapproth, der zuvor viele Jahre lang Chef des Haushaltwarenherstellers WMF in Geislingen war. Er hat ehrgeizige Ziele; so soll das Unternehmen zum Beispiel doppelt so schnell wie der Markt wachsen. Beim Firmenjubiläum im Sommer sagte er: „Jetzt wollen wir aus einer Position der wirtschaftlichen Stärke weiter über uns hinaus wachsen und gemeinsam neue Höhen erreichen.“ Der 54-Jährige ist der erste Chef, den die Amerikaner geholt haben. Dem gebürtigen Niedersachsen eilte schon damals der Ruf eines durchsetzungsstarken Managers voraus, der sich von Althergebrachtem nicht aufhalten lässt. Eine Kostprobe davon gab er gleich beim Amtsantritt in Schiltach seinem Vorgänger Siegfried Gänßlen, der sich eigentlich auf eine mehrmonatige Einarbeitungszeit für „den Neuen“ eingerichtet hatte. Nach einem Tag, so wird erzählt, ließ Klapproth den Vorgänger wissen, dass er nicht mehr gebraucht werde.

Klapproth wird die Aufgaben von Richard Grohe übernehmen, wenn der Ende des Monats seinen Schreibtisch räumt: Forschung und Entwicklung sowie das Produktmanagement und die Vertriebsregion Amerika. Damit endet auch eine Art Arbeitsteilung, die bis dahin in dem Unternehmen üblich war: Um die Produkte, die unter den Marken Hansgrohe, Axor, Pharo und Pontos verkauft werden, haben sich die Mitglieder der Familie besonders intensiv gekümmert – unabhängig von der eigenen Stellung im Unternehmen. Das war zum Beispiel auch bei dem 79-jährigen Patriarchen Klaus Grohe so, der jahrzehntelang an der Spitze des Vorstands und des Aufsichtsrats stand (bis 2015). Den Vorstandsvorsitz überließ er 2008 seinem engen Vertrauten, dem Finanzfachmann Siegfried Gänßlen.

Die Grohes, eine weit verzweigte Familie

Richard Grohe hat im Mai 2014 in einem Interview Einblick in sein Selbstverständnis gegeben: „Ich kümmere mich lieber um das Produkt, ich arbeite gerne mit den Designern und den Entwicklern zusammen“, sagte er. Wer Chef sei, habe noch ein paar andere Dinge zu tun: Verwaltung, Controlling, und man müsse gucken, dass genügend Geld eingenommen werde. Und: „Die Management-Aufgaben liegen mir nicht so sehr.“ Damit stellte Grohe klar, dass er keine Ambitionen auf den Chefsessel hat. Klapproth wiederum hat andere Vorstellungen von der Arbeitsteilung im Vorstand.

Dass bei Hansgrohe mittlerweile die Amerikaner das Sagen haben, war so nicht geplant. Eingestiegen ist Masco 1985 mit zunächst 27 Prozent, als Mitglieder der weit verzweigten Familie Grohe Anteile verkauften. Firmengründer Hans Grohe, der Vater von Klaus Grohe, war dreimal verheiratet; aus jeder Verbindung gab es Kinder. Klaus Grohe hat schon bald kein Hehl daraus gemacht, dass er mit dem Partner unglücklich ist und die Anteile am liebsten zurückkaufen würde. Dazu fehlte ihm aber das Geld. Stattdessen verfolgte er in den neunziger Jahren den Plan, Hansgrohe an die Börse zu bringen. Auch daraus wurde nichts, weil alle noch verbliebenen Erben außer der Familie Klaus Grohe kurz vor Weihnachten 2002 beschlossen, an Masco zu verkaufen und die Amerikaner damit zum Mehrheitseigner zu machen.