Am Freitag wird der Vertrag zwischen der Telekom und der Region über den Glasfaserausbau unterzeichnet. Dabei geben sich Ministerpräsident Kretschmann und sein Vize Strobl die Ehre – aber auch Kritiker der Kooperation.

Stuttgart - Die Kritik vor der am Freitag geplanten Unterzeichnung des Vertrags zum Glasfaserausbau in der Region nimmt zu. Mehrere Verbraucher- und Umweltorganisationen haben um 11.30 Uhr zu einer Demonstration vor der Schwabenlandhalle Fellbach aufgerufen.

 

Fünf Kommunen verweigern die Kooperation

Dort wollen im Beisein von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Thomas Strobl (CDU) Telekomchef Dirk Wössner und der Geschäftsführer der Gigabit-Region-Stuttgart-GmbH, Hans-Jürgen Bahde, den Kontrakt besiegeln, der eine enge Zusammenarbeit beim Breitbandausbau und der 5-G-Mobilfunkeinführung zwischen dem Telekommunikationsunternehmen, der Region, den Kreisen und Kommunen regelt. Die Investitionen in das Glasfasernetz von 1,6 Milliarden Euro werden von der Telekom (1,1 Milliarden Euro) und den Kommunen (500 Millionen Euro) geschultert. Ziel ist es, dass bis 2025 alle Unternehmen und 50 Prozent der Haushalte Zugang zu einem gigabitfähigen Netz haben, bis 2030 dann 90 Prozent der Haushalte. An der über die regionale Gigabit-GmbH und kreisweite Zweckverbände organisierten Kooperation wollen sich 174 der 179 Kommunen in der Region beteiligen. Schorndorf, Böblingen, Sindelfingen, Wangen (Kreis Göppingen) und Göppingen bleiben außen vor und setzen beim Ausbau auf die eigenen Stadtwerke.

Kritiker fordern kommunale Netze

Für die Kritiker ist das der richtige Schritt. „Städte und Gemeinden müssen das Breitband-Internet selbst gestalten statt sich von der Telekom über den Tisch ziehen zu lassen“, sagte Peter Hensinger, Vize-Vorsitzender der Verbraucherschutzorganisation diagnose:funk am Montag. Hannes Rockenbauch, Fraktionschef von SÖS/Linke-plus im Gemeinderat betonte, dass selbst wenn der Vertrag umgesetzt werde, im Jahr 2030 jeder zehnte Haushalt in der Region kein schnelles Internet habe. „Das ist aber Teil der Daseinsvorsorge und muss für alle Bürger gelten – egal ob sie in der Stadtmitte oder in einem entfernten Ortsteil wohnen“, forderte er. Nur der kommunale Ausbau ermögliche ein strahlenminimiertes und preislich attraktives Netz für alle Bürger.

Vorteile für die Telekom

Auch Jörn Gutbier, Vorsitzender von diagnose:funk und als Grünen-Fraktionschef im Herrenberger Gemeinderat mit der Materie vertraut, schwant Schlimmes, wenn er an Inhalte des geheimen Telekom-Vertrags denkt: „Die Telekom darf entscheiden, wo und wie sie schnelles Internet ausbaut und wie viel die Kommunen zuzahlen müssen.“ Am Ende gehöre trotz der millionenschweren finanziellen Unterstützung durch die Kommunen, die auch bei der Nutzung von Privatgrundstücken und der Errichtung von Mobilfunkmasten der Telekom behilflich sein sollen, das Gigabit-Netz aber allein der Telekom. Gerade auf die Zusatzbestimmungen dürften sich die Kommunen nicht einlassen, weil die Telekom damit die zahlreichen, für den neuen 5-G-Mobilfunk nötigen Masten „geräuschlos genehmigen lassen will“. Damit solle der Protest aus der Bevölkerung wegen möglicher Gesundheitsrisiken ausgebremst werden.

Absurde Zusagen?

Scharfe Kritik übten Hensinger, Rockenbauch und Gutbier auch daran, dass der Vertrag geheim gehalten werde. Einzige Begründung: Dies sei ein Wunsch der Telekom, der respektiert werden solle, so Region und Stadt. „Manches im Vertrag ist auch so absurd, dass man ihn geheim halten muss“, unkte Gutbier. So fordere die Telekom als Unterstützung der Kommunen bei der Kommunikation „vier bis fünf Berichte redaktioneller Art in einer vor Ort bekannten Zeitung“.

Ohnehin halten die Kritiker das Vorgehen für höchst merkwürdig. Das komplexe Thema sei im Stuttgarter Gemeinderat in wenigen Tagen durchgeboxt worden, so Rockenbauch: „Keine sachgerechte Beratung, keine öffentliche Debatte“. Er fühle sich überrumpelt und von OB Kuhn ausgetrickst. Es sei unlogisch, dass die Stadt in einem teuren Rechtsstreit momentan wieder die Hoheit übers Fernwärmenetz von der EnBW erhalten wolle, aber nun beim Glasfasernetz vertraglich auf den Zugriff verzichte.