Die britischen Konservativen haben Grund zum Jubeln: Ihr Wahlkampfmotto „Get Brexit Done“ hat Wirkung gezeigt. Labour-Chef Corbyn kündigte derweil an, sich zurückzuziehen - aber nicht sofort.

London - Die Konservativen von Premierminister Boris Johnson haben sich bei der Parlamentswahl in Großbritannien eine absolute Mehrheit gesichert. Sie gewannen mindestens 326 der 650 Sitze im Unterhaus, wie Auszählungsergebnisse am Freitagmorgen zeigten. Johnson wird seinen Plan, Großbritannien zum 31. Januar 2020 aus der EU zu führen, damit voraussichtlich umsetzen können.

 

Am frühen Morgen waren noch nicht alle Wahlkreise ausgezählt, die Mehrheit könnte also sogar noch größer ausfallen. Für die Konservativen um Johnson ist das Ergebnis in jedem Fall ein Grund zum Jubeln: Seine Tories hätten ein „mächtiges neues Mandat“ erhalten, „den Brexit zu erledigen“, sagte Johnson. Er sprach von einem „historischen“ Ergebnis. Johnson ist mit dem Wahlsieg der bei Wahlen erfolgreichste konservative Parteichef seit Margaret Thatcher. Die Arbeit am Brexit beginne sobald die Ergebnisse der Auszählung da seien, so der Premier. Sein Wahlkampf kannte auch fast nur ein Thema: „Den Brexit erledigt bekommen.“

Für Labour-Chef Jeremy Corbyn und seine Partei ist das Ergebnis dagegen ein Desaster. Sie gewannen der noch nicht abgeschlossenen Auszählung zufolge um die 200 Sitze. Bei der Wahl 2017 hatte Labour 262 Sitze geholt, die Tories 318.

Es sei „sehr enttäuschend“ sagte Corbyn. Rufen nach einem sofortigen Rücktritt gab er nicht nach, kündigte aber an, sich vor der nächsten Wahl zurückziehen zu wollen. Zunächst wolle er jedoch während eines „Reflexionsprozesses“ Parteichef bleiben. Experten schätzen dagegen als Konsequenz einen Wechsel an der Labour-Spitze als sehr wahrscheinlich ein. Es sei „beinahe undenkbar“, dass Jeremy Corbyn nach einer derartigen Niederlage Labour-Chef bleibe, sagte Tony Travers, Professor an der London School of Economics.

Tatsächlicher Brexit Ende Januar erwartet

Einer Prognose zufolge sollte die Schottische Nationalpartei 55 Sitze bekommen, die Liberalen Demokraten 13. Deren Parteichefin Jo Swinson verlor ihren Sitz.

Die Chancen, das Ausstiegsabkommen mit der EU durch das neue britische Unterhaus zu bekommen, stehen sehr gut. Johnson zufolge signalisierten alle Kandidaten der Konservativen Partei ihre Zustimmung. Wenn das neu zusammengesetzte britische Parlament für Johnsons Austrittsabkommen stimmt und Großbritannien Ende Januar tatsächlich die EU verlässt, ist das jedoch nur der Anfang: Monatelange zähe Verhandlungen über die künftigen Handelsbeziehungen zum Staatenbund dürften folgen.

Zunächst dürfte sich dann allerdings praktisch wenig verändern. Das Brexit-Abkommen sieht eine Übergangsperiode bis Ende 2020 vor, während der London und Brüssel ein neues Handelsabkommen verhandeln. Diese Gespräche dürften kurz nach dem offiziellen Austritt beginnen. Beide Seiten würden Ende Juni 2020 entscheiden, ob eine Verlängerung der Frist nötig ist. Johnson hatte sich bereits mehrfach gegen eine Verlängerung ausgesprochen.

Die Europäische Union signalisierte bereits ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der nächsten britischen Regierung beim Vorantreiben des Brexits. Die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen sagte, die EU sei für die Verhandlungen bereit. Mehrere Staats- und Regierungschefs der verbleibenden 27 Mitgliedsstaaten glauben jedoch, dass es nicht möglich sei, innerhalb knapp eines Jahres ein Abkommen zu verhandeln.