Der britische Chef-Unterhändler David Frost erhöht den Druck bei den Brexit-Verhandlungen. Die EU müsse anerkennen, dass Großbritannien ein souveräner Staat ist.

London/Brüssel - Kurz vor Beginn der neuen Verhandlungsrunde über einen Handelspakt nach der Brexit-Übergangsphase hat London den Druck auf die EU stark erhöht. Der britische Chef-Unterhändler David Frost forderte von Brüssel „mehr Realismus“. „Wir reden jetzt seit sechs Monaten und können es uns nicht mehr leisten, über ausgetretenes Terrain zu gehen“, teilte Frost anlässlich der achten Verhandlungsrunde mit der EU mit. Die Gespräche mit EU-Unterhändler Michel Barnier sollten am Dienstagnachmittag in London starten.

 

„Wir müssen Fortschritte in dieser Woche machen, wenn wir noch rechtzeitig eine Einigung finden wollen“, forderte Frost. Die EU müsse bei den Verhandlungen anerkennen, dass Großbritannien ein souveräner Staat ist. Bereits zuvor hatte London den Ton deutlich verschärft; beide Seiten überzogen sich daraufhin mit Vorwürfen.

Nach einem Bericht des „Telegraph“ könnte es sogar noch heftiger kommen: Demnach will Premierminister Boris Johnson am Dienstag verkünden, dass das Brexit-Abkommen „widersprüchlich“ sei und neu geschrieben werden müsse. Ein Regierungssprecher wollte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur den Bericht zunächst nicht kommentieren. Bereits zuvor hatte die „Financial Times“ geschrieben, dass London das schon gültige Austrittsabkommen teilweise in Frage stellen würde.

Kaum Fortschritte bei Verhandlungen

In den bisherigen Verhandlungen hatte es kaum Fortschritte gegeben. Vor der neuen Gesprächsrunde hatte London die EU brüskiert, auch indem Johnson Brüssel eine Frist für eine Einigung bis 15. Oktober setzte und nahelegte, London könne auf ein Abkommen auch gut verzichten.

Großbritannien war Ende Januar aus der EU ausgetreten. In einer Übergangsphase bis zum Jahresende gehört das Land aber noch zum EU-Binnenmarkt und zur Zollunion, so dass sich im Alltag fast noch nichts geändert hat. Gelingt kein Vertrag über die künftigen Beziehungen, könnte es Anfang 2021 zum harten wirtschaftlichen Bruch mit Zöllen und anderen Handelshemmnissen kommen.