Sie war der Traum einer ganzen Generation. Auch mit ihrem Buch „Tränen des Kampfes“ sorgt Brigitte Bardot für Schnappatmung – allerdings aus anderen Gründen.

Paris - Sie geht zu weit, auch jetzt noch, mit 83 Jahren. Kaum volljährig, hatte sie schon Grenzen überschritten. Vor der Kamera des Regisseurs Roger Vadim riss Brigitte Bardot lustvoll ein, was erzkonservative Eltern als moralisches Gerüst gereicht hatten. Selbstvergessen tanzte sie auf einem Tisch, liebkoste den eigenen Körper, schürte eigenes und fremdes Begehren, engelhaft und dämonisch zugleich. Und jetzt, gut ein halbes Jahrhundert nach den Dreharbeiten zu „. . . und immer lockt das Weib“ setzt sich die Französin erneut über alle Konventionen hinweg.

 

Vermutlich zum letzten Mal tut sie es, handelt es sich bei den Grenzüberschreitungen doch um Bardots literarisches Vermächtnis. Im Tierreich verortet sich die Autorin. „Ich gehöre nicht zur menschlichen Spezies“, bekennt sie in ihren „Tränen des Kampfes“ überschriebenen Memoiren. Es folgt Biografisches, das sie als Ausdruck animalischen Wesens deutet. „Schon als Kind ahnte ich, ja wusste ich, dass ich ein Tier bin“, schreibt sie. „Ich liebe Aufrichtigkeit pur.“ Die Tieren zu eigene, vom Instinkt geleitete Fähigkeit, Witterung aufzunehmen, einen Menschen spontan mit dem Geruchssinn zu erfassen, sei ihr vergönnt. Weshalb sie nur sehr wenigen Besuchern Zutritt zu ihrem Haus an der Côte d’Azur gestatte.

Wo die Schauspielerin BB freilich lustvoll zu Werke gegangen war, meldet sich die Schriftstellerin voller Bitterkeit zu Wort. Denn die Nähe zu den Tieren, denen sie seit Jahrzehnten entschlossen zur Seite steht, geht einher mit der Entfremdung von den Menschen. Das Sexsymbol, dem die Männer zu Füßen lagen und die Frauen nacheiferten, empfindet für Ihresgleichen nur noch Verachtung – von ein paar wenigen Vertrauten abgesehen.

Selbst das Rampenlicht erscheint Bardot im Rückblick düster

Und Bardot hat von den Menschen ja auch viel Übles erfahren, nicht ohne eigenes Verschulden, wie sie einräumt. Die Bilanz ihres Privatlebens ist niederschmetternd: vier kaputte Ehen, drei Selbstmordversuche, ein in Norwegen lebender Sohn, den sie nicht haben wollte. Dass sie die Schwangerschaft einst als Tumorerkrankung erlebte, nach eigenem Bekunden lieber einen Hund zur Welt gebracht hätte als diesen Nicolas – Bardot bereut es heute.

Und was besonders bitter anmutet: Auch in den Jahren, in denen sie Kinogeschichte schrieb, vermag sie nichts Erfreuliches mehr zu entdecken. In 48 Filmen stand sie vor der Kamera. Doch die Bewunderung, die ihr entgegenschlug, hat sie nicht überzeugt. Als Weltstar verehrt, habe sie stets das Gefühl gehabt, „ein Nichts zu sein“. Hässlich sei sie sich vorgekommen, so oft ihr auch das Gegenteil versichert worden sei. Gefangen in einer Rolle, habe sie davon geträumt, im Schutz der Anonymität wieder zu sich selbst zu finden.

Allein die damals erkämpfte sexuelle Befreiung scheint Bardot noch in Ehren zu halten. Jedenfalls hat sie sich in der #metoo-Debatte auf die Seite der Schauspielerin Catherine Deneuve geschlagen und vor amerikanischem Puritanismus und Prüderie gewarnt, die sich im Kampf gegen den Missbrauch männlicher Macht auszubreiten drohten.

So düster Bardot die Jahre im Rampenlicht erlebt haben mag, die „Tränen des Kampfes“ hat nicht die Schauspielerin vergossen, sondern die Tierschützerin. Denn auch wenn sie sich „einer menschlichen Rasse nicht zugehörig fühlt, die Tiere als minderwertige Spezies ansieht, ihnen vielfältiges Leid zufügt, sie selbst zum Freizeitvergnügen umbringt“, so vermochte sie doch nicht Abhilfe zu schaffen. Ihr Vermögen hat sie in eine Tierschutzstiftung eingebracht, ihr Haus Hunden, Katzen, Eseln geöffnet. Ob Robbenschlachten, Käfighaltung Gänsemast oder Stierkampf: Bardot hat Flagge gezeigt. Aber mit 83 Jahren spürt sie, „dass die Kräfte schwinden“, bevor „das erträumte Ziel“ erreicht ist.