Eine Ära geht zu Ende: Brigitte Kunath-Scheffold hört zum Jahresende als Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Degerloch auf. Ihr offizieller Abschied musste wegen der Besuchermassen an einen ungewöhnlichen Ort verlegt werden.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Degerloch - Parklücken waren am vergangenen Mittwochabend rund ums Bezirksamt keine mehr zu finden, die Autos standen deshalb auch widerrechtlich auf dem Platz zwischen Rathaus und Michaelskirche. Sollte an jenem frostigen Abend ein Knöllchenverteiler unterwegs gewesen sein, er dürfte ein Auge zugedrückt haben. Denn im Herzen von Degerloch war eine ganz besondere Veranstaltung: Es war der offizielle Abschied von Brigitte Kunath-Scheffold, die fast 20 Jahre die Bezirksvorsteherin von Degerloch war.

 

Die Kirchenbänke waren bis auf den letzten Platz belegt

Dieses Ereignis wollten sich viele nicht entgehen lassen, Hunderte wollten dabei sein und Adieu sagen. Und so kam es, dass sich nicht nur der Platz für Autos rasch erschöpft hatte, sondern auch der für die Menschen im Bezirksrathaus. Kurzfristig war deshalb die Kirchengemeinde um Asyl gebeten worden – also strömten die Besucherscharen vom Rathaus, in die benachbarte Michaelskirche. Die Kirchenbänke waren dann ebenfalls bis auf den letzten Platz belegt. Auch hier mussten noch Gäste stehen, und zwar ganze zwei Stunden, denn so lange dauerte der offizielle Teil der Verabschiedung.

Es war ein Wechsel zwischen Worten von Weggefährten und Kulturprogramm. Und es waren zwei Stunden Brigitte Kunath-Scheffold pur. Im Schnelldurchlauf reiste ihr Chef, der Erste Bürgermeister Fabian Mayer, durch die zwei Jahrzehnte, in denen sie den Stadtbezirk geprägt hat. Und er musste sich dabei immer wieder selbst bremsen, „es ist gar nicht möglich, alles aufzuzählen, die Liste der Projekte und Initiativen ist endlos“. Der Ansturm auf die Veranstaltung zeige „den Stellenwert der Hauptperson“, sagte er.

Die Stadt Stuttgart macht ihr ein besonderes Geschenk

Brigitte Kunath-Scheffold war insgesamt mehr als 40 Jahre im Dienste der Landeshauptstadt Stuttgart. Bevor sie ins Degerlocher Rathaus eingezogen ist, war sie beispielsweise im Stadtplanungsamt, im Sozialamt sowie im Jugendamt. Ihre Berufung fand sie aber als Bezirksvorsteherin, ein Job, bei dem sich viel gestalten lässt. Und sie hatte wahrlich genaue Vorstellungen, was sie für Degerloch will. Als wüssten das nicht eh alle längst, betonte sie es dann noch einmal, als sie nach anderthalb Stunden von der Zuhörer- in die Rednerrolle wechselte. Zum letzten Mal in dieser Funktion. Ende des Jahres wird sie ihr Büro an der Großen Falterstraße räumen. Dann zieht dort ihr Nachfolger, Marco-Oliver Luz ein.

Wie schwer Kunath-Scheffold dieses Ende fällt, wissen alle, die sie kennen. Sie hing so sehr am Amt, dass sie sogar verlängert hatte – obwohl bereits jenseits der 65 Jahre. Und weil ihr Chef Fabian Mayer das weiß, hatte er eine ungewöhnliche Überraschung für sie. Die Stadt schenke ihr ein Teil ihres Büros, ob Schreibtisch, Stuhl oder Schrank – „suchen Sie sich was aus“. Das Angebot wird die Grande Dame, wie sie im Bezirk mitunter auch genannt wird, wohl kaum ausschlagen. „Es gibt noch ein Leben nach dem Rathaus“, versicherte ihr übrigens der Alt-OB Wolfgang Schuster. Ob sie es ihm zurzeit glaubt?