„Zeozweifrei unterwegs“ lautet das Motto in Bruchsal und drumrum: Im vergangenen Herbst hat dort ein bislang einmaliges Modellprojekt in Sachen Elektromobilität begonnen. Die beteiligten Kommunen sehen sich als Vorreiter – andere Anbieter sagen, eine Elektroflotte auf dem Land sei nicht kostendeckend zu betreiben

Bruchsal - Bruchsal setzt auf Elektrofahrzeuge. Im Verbund mit Nachbarkommunen und einigen Unternehmen der Region hat die Große Kreisstadt im Herbst 2016 ein im Südwesten bisher einzigartiges Modellprojekt gestartet: Bei dem neuen Mobilitätskonzept „Zeozweifrei unterwegs“ sind mittlerweile 40 Elektroautos im Einsatz. In Bruchsal selbst findet man lobende Worte für die Initiative – die großen Carsharing-Anbieter im Südwesten, im Verbund „Stadtmobil“, zeigen sich dagegen skeptisch. Das sei eher „ein Renommierprojekt“, heißt es.

 

Bruchsals Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick (parteilos) hält das Modellprojekt für „eine intelligente Art von Mobilität, die auch noch Spaß macht“. 1400 Kunden gibt es in der Region. Die Buchung läuft wie bei den großen Carsharing-Anbietern, die Elektrofahrzeuge stehen an festgelegten Standorten. Das Vorhaben begann unter der Federführung der Regionalen Wirtschaftsförderung Bruchsal und der Energieagentur des Landkreises mit zunächst 25 Elektroautos und 25 Ladestationen. Inzwischen gibt es 40 Fahrzeuge und ebensoviele Docking-Stationen zwischen der 5000 Einwohner zählenden Gemeinde Sulzfeld im Osten des Landkreises und Dettenheim in der Rheinebene.

Die meisten Fahrzeuge halten Bad Schönborn und Bruchsal im Zentrum des Gebiets mit einem Radius von mehr als 30 Kilometern. Es habe kein Vorbild gegeben, die beteiligten Kommunen könnten für sich in Anspruch nehmen Pioniere zu sein, sagt die Rathauschefin. Die Grundidee war, die Stadtteile von Bruchsal und das Umland mit dem Einzugsgebiet der regionalen Wirtschaftsförderungs- Gesellschaft Bruchsal (WFG) zu verbinden. Die Energie- und Wasserversorgungswerke haben die Ladesäulen installiert. Die Bilanz nach gut sieben Monaten: „Die Auslastung ist hervorragend. Wir sind jetzt 140 000 Kilometer gefahren, mit allen Autos zusammen.“

Alle Autos zusammen sind bis jetzt 140 000 Kilometer gefahren

Laut dem Rathaus sind die Hälfte der Fahrzeuge reine Bürgerautos und können rund um die Uhr genutzt werden. Die andere Hälfte sei von den beteiligten Firmen zu bestimmten Zeiten blockiert, pro Werktag jedoch maximal neun Stunden. Ansonsten stehen auch diese Fahrzeuge der Allgemeinheit zur Verfügung. Cornelia Petzold-Schick ist überzeugt davon, dass die Elektroflotte sich durchsetzen wird: „Mit einem Elektrofahrzeug bekommt man einfach mal Lust, das auch auszuprobieren.“ Die beteiligten Kommunen „haben die Chance, eine Vorreiterrolle zu spielen“ und leisteten einen Beitrag, eine ressourcenschonende Antriebsart salonfähig zu machen.

Eher skeptisch sind dagegen die Betreiber der drei großen Anbieter von „Stadtmobil“ im Südwesten. „Carsharing auf dem Land“ sei nicht kostendeckend zu betreiben, sagt Gunnar Petersohn, der Geschäftsführer von Stadtmobil Karlsruhe. Der mit 874 Autos derzeit größte Carsharing- Anbieter Baden-Württembergs hatte sich an der Bruchsaler Ausschreibung nicht beteiligt – „aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtung“, sagt Petersohn. Noch deutlicher wird Edgar Augel von Stadtmobil Stuttgart: Hier werde viel Geld für ein „Renommierprojekt“ ausgegeben, das die Kunden nicht erreiche. In der Landeshauptstadt bevorzuge man „den nicht so spektakulären Aufbau von Carsharing, der aber auf Dauer nachhaltiger ist“, findet Augel. Derzeit sind bei Stadtmobil Stuttgart drei Elektrofahrzeuge der Marke „Renault Zoe“ im Einsatz – der Pool umfasst 520 Fahrzeuge. Stadtmobil Karlsruhe hat vor kurzem auf elf Elektroautos aufgestockt. Stadtmobil Rhein-Neckar mit Heidelberg und Mannheim hat fünf E-Fahrzeuge – bei insgesamt 500 Fahrzeugen. Miriam Caroli in Mannheim und Gunnar Petersohn in Karlsruhe sind sich einig: „Der Anteil der Elektromobilität im Carsharing wird steigen, aber weiterhin sehr langsam.“ Bis 2020 werde das sicher „nicht mehr als fünf Prozent der Flotte“ ausmachen.

Kritiker betrachten das Modell als „Renommierprojekt“

Mit dem Projekt „Zeozweifrei unterwegs“ habe man für den nördlichen Landkreis „faktisch schon mal klare, positive Signale gesetzt“, sagt dagegen Cornelia Petzold-Schick. Bei der jetzt bestehenden Dichte von Ladesäulen könne man sich rund um Bruchsal „mit Elektroautos in einem Radius von 100 bis 150 Kilometern bewegen“. 18 Cent kostet derzeit die Nutzung je Kilometer. Und die aktuellen Konditionen seien für mindestens zweieinhalb Jahre zugesichert.