Die Gespräche sind zäh, die Interessen scheinen unvereinbar. Ob es eine Einigung geben wird, ist offen. Zumindest ein Teilnehmer sieht nach einem neuen Vorschlag Anzeichen für „Bewegung in die richtige Richtung“.

Brüssel - Die Staats- und Regierungschefs der EU haben am Samstag auf ihrem Gipfel in Brüssel die komplizierte Suche nach einem Kompromiss in Sachen Rekordhaushalt für die nächsten sieben Jahre fortgesetzt. Außerdem geht es um ein Milliarden-Programm zur Bewältigung der Corona-Wirtschaftskrise. Beim Auftakt der Beratungen am Freitag waren große Differenzen zwischen den 27 Mitgliedsstaaten zu Tage getreten. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte am späten Nachmittag, noch sei keine Einigung in Sicht.

 

Gegen Mittag waren die Beratungen nach Angaben aus Verhandlungskreisen unterbrochen worden, damit die einzelnen Delegationen über neue Vorschläge des Gastgebers und EU-Ratspräsidenten Charles Michel beraten konnten. Die Vorschläge sehen demnach beim Corona-Hilfsfonds einen geringeren Anteil an Zuschüssen und einen höheren Anteil an Krediten vor - offenbar ein Entgegenkommen an die selbst ernannte Gruppe „sparsamer“ Länder, angeführt von den Niederlanden.

Niederlande fordern Bedingungen

Umstritten sei aber weiterhin, wie das Geld nachverfolgt werde. Ein Vetorecht für einzelne Länder sei in Michels Plan nicht vorgesehen, hieß es aus Verhandlungskreisen weiter. Eine andere Gewährsperson bezeichnete die neuen Vorschläge als ersten Schritt eines möglichen langen Wegs zu einer Einigung.

Die Staats- und Regierungschefs haben unter anderem unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie die Anteile der Mitgliedsstaaten an dem Paket ausfallen sollen. Als eines der größten Hindernisse für ein Abkommen gilt die Haltung des niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte, der dagegen ist, dass auch Zuschüsse in dem Paket enthalten sind. Die Niederlande fordern, dass das Geld an Bedingungen wie Wirtschaftsreformen geknüpft wird. Andere Länder sind strikt gegen Bedingungen. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat erklärt, Europa müsse sich solidarisch zeigen, um einen Weg aus der Krise zu finden.

Rutte traf vor Wiederaufnahme der Verhandlungen zu einem Krisengespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Macron, dem italienischen Regierungschef Giuseppe Conte, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Gastgeber Michel zusammen. Bundeskanzler Kurz, ein Verbündeter Ruttes, sprach laut einem Bericht der österreichischen Nachrichtenagentur APA von „Bewegung in die richtige Richtung“. Noch ungeklärt seien aber Fragen wie der österreichische Rabatt bei Beiträgen zum EU-Haushalt oder die Rechtsstaatlichkeit in EU-Staaten, sagte er.

Abkommen gilt als dringlich

Die Corona-Pandemie, um deren wirtschaftliche Folgen es ganz entscheidend geht, hatte den Staats- und Regierungschefs eine Sitzordnung aufgezwungen, deren große Abstände als Symbol dafür gesehen werden konnten, wie weit sie von einer Lösung entfernt sind. Weil ein Abkommen als dringlich gilt, tagten die Staats- und Regierungschefs erstmals seit Beginn der Coronavirus-Pandemie wieder persönlich.

Bis Samstagnacht blieb Zeit, ein Scheitern zu verhindern. Die Erfolgsaussichten wurden zurückhaltend bewertet. Das Haushalts- und Fondspaket soll bis zu 1,85 Billionen Euro umfassen.

Die EU befindet sich in ihrer schlimmsten Rezession in ihrer Geschichte. Die EU-Kommission hat einen Fonds für die wirtschaftliche Erholung in Höhe von 750 Milliarden Euro vorgeschlagen. Die Hilfe soll über Kredite und Zuschüsse an die bedürftigsten Länder verteilt werden.