Bei dem Augsburger Unternehmen Weltbild kündigt der Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz eine Radikalsanierung an. Allein in der Augsburger Zentrale müssen 656 der 2200 Stellen gestrichen werden.

Augsburg - Beim insolventen Buchhandelskonzern Weltbild beginnt der befürchtete Kahlschlag. Allein in der Augsburger Zentrale müssen 656 der 2200 Stellen gestrichen werden, weil das Unternehmen in die Insolvenz gegangen ist, kündigte der vorläufige Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz bei einer Betriebsversammlung am Firmensitz an. 400 Beschäftigte sind in den vergangenen Wochen bereits freiwillig ausgeschieden, sodass in Augsburg aktuell noch 1800 Leute arbeiten. Das ist aber noch nicht das ganze Ausmaß des sich abzeichnenden Debakels.

 

Von der Pleite betroffen ist nicht nur der Standort Augsburg, sondern seit kurzem auch das Filialgeschäft mit 1400 Beschäftigten. Hier plant Geiwitz Schließungen im großen Stil, was der Gesamtbetriebsratschef Timm Boßmann wegen möglicher Dominoeffekte heftig kritisiert. „Wir wissen, dass das E-Book-Lesegerät Tolino besonders gut in den Filialen verkauft wird“, sagt er. Dieser wohl größte Hoffnungsträger für Weltbild sei beratungsintensiv. Würden zu viele Filialen geschlossen, werde das Digitalgeschäft abgewürgt. „Ohne Tolino gibt es keine E-Book-Umsätze“, warnt der Betriebsrat und kritisiert einen geplanten Kahlschlag auch im Filialgeschäft als grob fahrlässig.

Andererseits steht Geiwitz unter starkem Zeitdruck, weil Ende März das staatliche Insolvenzgeld ausläuft, mit dem derzeit das Personal bezahlt wird. Wenn von April an das Insolvenzverfahren startet, muss Weltbild die Löhne wieder selbst erwirtschaften. Angesichts von rund 100 Millionen Euro Verlust im Vorjahr sei es „mit ein wenig Kosmetik“ nicht getan, stellte Geiwitz klar. „Es geht ums Überleben“, betonte der erfahrene Sanierer. Was das für das erst seit kurzem insolvente Filialgeschäft bedeutet, will er frühestens Ende April sagen. Beschäftigte fürchten ein Aus für fast die Hälfte aller bundesweit 220 Filialen. Damit droht Weltbild inklusive der freiwillig ausgeschiedenen Mitarbeiter selbst im günstigsten Fall mindestens ein Viertel seiner Anfang 2014 noch 6300 Menschen starken Belegschaft zu verlieren.

Weitet sich der Stellenabbau drastisch aus?

Es könnte aber auch schlimmer kommen. Grundsätzlich hält Geiwitz zwar eine Gesamtsanierung ohne Zerschlagung des Buchhandelskonzerns für möglich. Weltbild müsse aber auf einen gesunden Kern gestutzt werden, um für einen Investor attraktiv zu werden. Mehrere unverbindliche Angebote seien bislang eingegangen, er sei vorsichtig optimistisch, dass am Ende Weltbild als Ganzes gerettet werden kann. „Ein endgültiger Abschluss ist aber immer noch völlig offen“, warnte Geiwitz zugleich.

Ohne neue finanzielle Basis durch einen neuen Investor gebe es für Weltbild keine Zukunft, das Unternehmen müsste in Teilen verkauft werden. Dann dürfte sich der Stellenabbau drastisch ausweiten. Geiwitz müsse Weltbild mit Radikalmethoden rasch wieder in die Gewinnzone bringen, um „die Braut für einen Käufer aufzuhübschen“, erklärt ein Insider den Ernst der Lage. Dazu wurde mit dem Unternehmensberater Roland Berger ein Fortführungskonzept erarbeitet, das nun die Belegschaft zu Ader lässt.

Namen interessierter Investoren werden nicht genannt

Namen interessierter Investoren nennt Geiwitz nicht. An einer Komplettübernahme aller drei Weltbild-Teile Onlinehandel, Filialen und Kataloggeschäft sind mindestens vier Investoren interessiert, heißt es indessen in Augsburg. Neben Finanzinvestoren sei das die Stuttgarter Verlagsgruppe Holtzbrinck, ein guter Bekannter der Augsburger. Beide Firmen waren bis 2013 gemeinsam beim Onlinehändler buecher.de und dem Verlag Droemer Knaur engagiert, bevor buecher.de komplett von Weltbild und der Verlag von Holtzbrinck übernommen wurden. Absehbar ist, dass die Gespräche mit Investoren nicht bis Ende März, sondern frühestens im Sommer in unterschriftsreifen Verträgen münden. Bis dahin steht auch fest, was am Ende an Stellen übrig bleibt.

Um übergroße Härten für Betroffene zu mildern, wollen kirchliche Weltbild-Eigner dem Vernehmen nach rund 30 Millionen Euro vor allem für eine Transfergesellschaft geben. Dort werden Gekündigte für neue Arbeitgeber qualifiziert, und sie erhalten bis zu ein Jahr lang 85 Prozent ihres Nettogehalts, was sowohl in Laufzeit als auch der Höhe der Entgeltzahlungen ungewöhnlich hoch ist. Weltbild war bis zur Pleite eine Tochter von zwölf katholischen Bistümern, dem Verband der Diözesen Deutschlands und der Berliner Soldatenseelsorge. Über Jahre anhaltender Streit in diesem Gesellschafterkreis war ein Grund für die Pleite des Anfang 2014 noch 6300 Mitarbeiter zählenden Buchhandelsriesen. Anfang Januar hatte die Kirche Weltbild dann den Geldhahn zugedreht. Die Gewerkschaft Verdi wirft auch dem Management Versagen vor.