Wohnhäuser, entworfen von dem vielfach ausgezeichneten Stuttgarter Architekten Alexander Brenner, sind in einem Bildband zu entdecken – samt interessanten Texten über langlebige Materialien und einer Kritik an einer renditegierigen Bauwirtschaft.

Bauen/Wohnen/Architektur : Nicole Golombek (golo)

Ein bisschen erinnern einen die aktuellen Diskussionen Neubau versus Neubauverbot, bauen oder umbauen an Goethes „Faust“. Nicht „Faust 2“, in dem zwei alte Leute aus ihren Häusern vertrieben werden, sondern den bekannteren ersten Teil.

 

Genau, Mephistos misanthropischen Monolog, den kann ja fast jedes Kind heute noch mitsprechen. „Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, Ist wert, dass es zugrunde geht; Drum besser wär’s dass nichts entstünde.“

Ja, die Baubranche hat eine miserable CO2-Bilanz, und ja, noch mehr Flächenversiegelung auch durch Neubaugebiete braucht kein Mensch. Dass allerdings innerhalb der Diskussion mit solcher Inbrunst über Sinn und Unsinn vor allem von Einfamilienhäusern debattiert wird, die im Vergleich zu Großprojekten deutlich weniger CO2 verbrauchen, verwundert doch etwas.

Denn es sind ja vor allem die Neubauten großer Büro- und Fabrikgebäude, Hochhäuser und Rathäuser, die schon wenige Jahre nach ihrer Fertigstellung abgerissen werden, die besonders ins Klimagewicht fallen.

Das kritisiert auch der Stuttgarter Architekt Alexander Brenner: „Die Vorstellung, dass das Bauen als eine Art Mine zur Gewinnung von Geldscheinen betrachtet wird, hat weiter zugenommen. Vor allem große Bauvorhaben werden auf der Grundlage von Renditeberechnungen durch Investorengruppen veranlasst.“

Das betrifft öffentliche Bauten ebenso wie Mehr- und Einfamilienhäuser – die dann eben auch schon oft nach zwanzig, dreißig Jahren einem Neubau weichen müssen. Gut also, wenn Bauten so gut gemacht wären, dass sie lange hielten, lange ästhetischen Ansprüchen genügten.

Wie lange die Villen und Wohnhäuser des Architekten Alexander Brenner „halten“ werden, ist ungewiss. 1990 hat er in Stuttgart sein Büro gegründet. Seither baut er, wie es ihm gefällt, beziehungsweise, wie es seinen Bauherren gefällt, die wiederum ihm gefallen müssen (so zumindest berichtete er es vor einiger Zeit, als er sein eigenes Wohnhaus dieser Zeitung vorstellte).

Und er schätzt Bauherren, die seine Liebe zum Detail und zu hochwertigen, langlebigen Materialien teilen. Umweltschädliches Billigmaterial, das bei Abbruch auf den Sondermüll käme, gibt es nicht im Brennerhaus. Und seine Kunden können, sollen sich diese Qualität auch leisten.

Hochwertige, langlebige Materialien

Schon an der Universität habe er sich schnelllebigen Moden widersetzt, so schreibt Alexander Brenner jetzt in dem Buch, das seine Entwürfe aus den Jahren 2015 bis 2022 vorstellt und in dem er auch über Vorbilder, seine Arbeitsweise und Materialexperimente schreibt. Also keine postmodernen Säulchen. Stattdessen der Versuch einer möglichst zeitlosen Architektur, eine Verehrung vor allem auch für die Architekten des Bauhaus. Seine Klingelanlage am eigenen Haus am Killesberg beispielsweise ist eine freundliche Verneigung vor jenen, die auch an den Häusern der Bauhausarchitekten der nahe gelegenen Weißenhofsiedlung angebracht sind.

So wie die Architekten Mies van der Rohe und Le Corbusier damals schon die Gestaltung der Innenräume mitdachten, hält es Alexander Brenner. Einbauten werden von ihm entworfen – bis zum Türknauf. Daher der Titel des Buches „Holistic Art of Building“ – ein Plädoyer ganzheitliches Denken und Gestalten, ein Wille zum Gesamtkunstwerk.

Von den sechs in Text und Bild reich porträtierten Gebäuden, mit Außen- und Innenansichten (samt Bild des Architekten in der eigenen Badewanne) stehen vier in der Region Stuttgart, zwei in Wiesbaden und Frankfurt. Fotostrecken von Bauarbeiten und Porträts der von ihm ausdrücklich gelobten Handwerker zeigen, wie wichtig nicht nur der gezeichnete Entwurf ist, sondern auch die Arbeit auf der Baustelle.

Neben den luxuriösen Bauten entwirft das Büro auch regelmäßig Gebäude für befreundete Handwerker und plant Umbauten, auch für Familien, die weniger finanzkräftig sind. Schöne Beispiele – darunter ein Haus mit Rutsche neben der Treppe – sind in dem Bildband ebenfalls zu entdecken.

Lob der Handwerker

Zwei der jüngeren Villen hat Alexander Brenner zwar ebenfalls wieder als Flachdachgebäude entworfen, allerdings nicht in dem typischen strahlenden Weiß. Es kam 25 Zentimeter starker Beton (und 48 Zentimeter dicke Porenbetonwände) zum Einsatz. Eine zusätzliche Dämmung ist da nicht nötig.

Wiewohl der derzeit keinen guten Ruf genießt, was Brenner dazu verleitet, mit Baumeistern der Antike zu argumentieren: „Schon die Römer erschufen ihre dauerhaftesten und anspruchsvollsten Bauwerke mit Opus Caementitium, einer frühen Form des Betons.“

Dank Beimischung von lokalem Jurasplitt leuchten die Fassaden der Häuser in Stuttgart und Reutlingen vanillefarbenwarm und südlich. Vor dem Hintergrund des blauen Himmels auf Zooey Brauns Fotografien wirken sie, als stünden sie irgendwo, wo das Meer nicht weit ist.

Liebe zum Detail

„Es liegt in der Verantwortung des Architekten, mit Leidenschaft und Hingabe Räume für Menschen zu erdenken“, so Alexander Brenner, „das mit größter Sorgfalt Geschaffene ist das, was Menschen wahrhaftig berührt.“ Das mag, je nach Gefühlslage und Temperament, ein ziegelgedecktes rot loderndes Flachdach hier oder ein Treppengeländer, das zu schweben scheint.

Für die Häuser von Alexander Brenner gilt wie schon für die bis heute bewunderten und von kunstinteressierten Touristen besuchten Privatgebäude aus früheren Zeiten (von William Morris, über Victor Horta bis zu Frank Lloyd Wright): Möglichst wird das auf diese Weise handwerklich gut Gemachte auch noch von späteren Generationen geschätzt.

Dass in der aktuellen Architekturdebatte häufiger gefordert wird, dass beim Bau schon Fragen nach der Umweltverträglichkeit, Langlebigkeit des Materials in den Mittelpunkt gestellt würden, sieht der Architekt als Bestätigung seiner seit 30 Jahren praktizierten eigenen Arbeitsweise. Auch so entsteht ja Nachhaltigkeit, dass man die Dinge, auch Gebäude, lange aufbewahrt, belebt.

Info

Das Buch
Alexander Brenner: A Holistic Art Of Building. Villas and Houses 2015-2022. Texte in deutscher und englischer Sprache. Verlag Park Books, 320 Seiten, 77 Euro.