Seit Montag können die Leistungen des Bürgerbüros in Stuttgart-Vaihingen – wie auch in manchen anderen Stuttgarter Stadtbezirken – wieder ohne Termin in Anspruch genommen werden. Allerdings ist viel Geduld gefragt.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Vaihingen - Das Foto spricht Bände: Vor dem Bezirksrathaus Vaihingen hat sich am Montagmorgen eine lange Schlange gebildet. Es war der erste Tag, an dem die Menschen im Ort die Leistungen des Bürgerbüros wieder ohne Termin in Anspruch nehmen konnten. Thomas Hörner wollte genau das tun. Er hatte vor einigen Monaten einen Personalausweis beantragt. Das sei damals ausschließlich mit Termin möglich gewesen, erzählt der Vaihinger. Mit viel Glück habe er einen bekommen. „Ich wurde bei der Abgabe der Unterlagen und Sofortbegleichung der fälligen Gebühren gleich darauf hingewiesen, dass eine Abholung des Ausweises ebenfalls nur mit Termin erfolgen könne, allerdings gäbe es die nächsten Monate keine freien Termine. Erst ab dem 19. Juli könne man sich wieder ohne Termin anstellen“, erzählt Thomas Hörner.

 

Seinen Versuch am Montag habe er aber sofort wieder abgebrochen. Geschätzt 50 Menschen hätten in der Warteschlange gestanden, die bis zur Einfahrt der Tiefgarage am Vaihinger Markt gereicht habe. Eine Frau habe ihm erzählt, dass die Leute bereits von 6 Uhr an das Rathaus belagerten, in der Hoffnung, vormittags noch dran zu kommen.

Hohe Nachfrage nach Reisedokumenten

Thomas Hörner ist sauer. „Gehören die Dienstleistungen der Bürgerbüros, die die meisten Bürger ja gezwungenermaßen gebührenpflichtig in Anspruch nehmen müssen, nicht genauso zur existenziellen Daseinsvorsorge wie die Lebensmittelversorgung?“, fragt er und ärgert sich darüber, dass „die Servicestellen des öffentlichen Dienstes im Lockdown auf ein Minimum heruntergefahren wurden“. Der dadurch zwangsläufig produzierte Stau müsse jetzt abgearbeitet werden. „Für eine Übergangszeit halte ich eine Ausweitung der Schalterstunden für zumutbar, ebenso zusätzliches Personal aus anderen Bereichen und eventuell eine Urlaubssperre, bis sich die Lage wieder einigermaßen normalisiert“, so Hörners Fazit.

Die Stadtverwaltung Stuttgart indes sieht kein größeres Problem. Nora Lenz-Gaspary von der Pressestelle richtet nach Rücksprache mit der zuständigen Abteilung aus: „Vor der Reisesaison besteht immer eine hohe Nachfrage nach Reisedokumenten. Das aktuelle Kundenaufkommen im Bürgerbüro Vaihingen ist nicht außergewöhnlich, eher saisonal bedingt.“ Allerdings trete es nun offen in Erscheinung. Vor der Pandemie hätten die Kunden ohne Abstand im Bezirksrathaus gewartet. Die Warteschlangen seien nun „quasi das coronakonforme Wartezimmer“, schreibt Lenz-Gaspary.

Mitarbeitende leiden unter den von Corona diktierten Bedingungen

Die Bürgerbüros seien – ebenso wie der Einzelhandel – durchgehend geöffnet gewesen. Der Zugang aber habe gesteuert werden müssen. Darum sei es notwendig gewesen, auf Terminvergabe und schriftliche Antragsbearbeitung umzustellen. „Diese coronabedingte Einschränkung war nicht optimal. Für die Kunden und Mitarbeiter war das sehr zeitaufwändig und belastend“, räumt die Pressereferentin ein und ergänzt: „Dies vor allem auch, weil nicht der Output und Service erreicht werden kann, wie es beim Betrieb mit Laufkundschaft der Fall ist.“ Die zunehmende Verärgerung der Kunden sei spürbar. Teilweise seien Mitarbeitende der Bürgerbüros pauschal beleidigt worden.

Nora Lenz-Gaspary weißt auch daraufhin, dass die jetzt schon mehr als ein Jahr andauernde Tätigkeit im Schalterdienst unter Coronabedingungen die Belegschaft stark belaste. Nicht zuletzt, weil sie in Präsenz arbeiten musste, auch wenn Schulen zu waren und eine Kinderbetreuung fehlte. Und die Mitarbeitenden seien dabei immer einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt gewesen. Vor diesem Hintergrund seien eine Ausweitung der Dienstzeiten und Urlaubssperren – wie vom Leser gefordert – nicht vorgesehen. Ohnehin seien diese Mittel arbeitsschutzrechtlich nur schwer umsetzbar. Und kurzfristig Aushilfskräfte zu rekrutieren, sei auch nicht möglich, weil die Dienstleistungen der Bürgerbüros eine qualifizierte Sachbearbeitung erfordern würden.

Der Bezirksvorsteher kann den Frust verstehen

Der Vaihinger Bezirksvorsteher Kai Jehle-Mungenast kann den Frust der Leute verstehen. „Die langen Schlangen sind real. Nachfrage- und Personalstruktur passen derzeit nicht zusammen. Das sind immer Wellen“, sagt er und betont aber auch: „Die Mitarbeitenden tun, was sie können.“