Mittlerweile gibt es den Bürgerbus seit zehn Jahren. Doch die Feierlichkeiten wurden aufgrund der Corona-Krise verschoben. Und auch der Kleintransporter steht still.

Korntal-Münchingen - Seine letzte Fahrt sollte am 6. April sein. Dass es wegen der Corona-Krise nie dazu kommt, dass seine letzte Fahrt bereits war, damit konnte Helmut Weiser nicht rechnen. Doch das Virus legt auch den Bürgerbus von Korntal-Münchingen lahm: Das mit bürgerschaftlichem Engagement betriebene Verkehrsangebot steht seit Mitte März still. Die 20 Fahrer, von denen jeder alle drei Wochen einen halben Tag lang in den Ortsteilen Korntal, Münchingen oder Kallenberg fährt, sind bis auf Weiteres zum Nichtstun verdammt – oder vorzeitig in den Freiwilligen-Ruhestand gegangen. Wie Helmut Weiser.

 

Der 75-Jährige war dabei, als der Bür-gerbus vor fast zehn Jahren startete. Ob zum Einkaufen, Arzt oder Friedhof – seit 12. April 2010 verbindet der Kleintransporter die Wohngebiete mit der jeweiligen Ortsmitte in den Stadtteilen. So sollen vor allem ältere Menschen und solche, die schlecht zu Fuß sind, mobil bleiben. Für Helmut Weiser war sofort klar, dass er sich als freiwilliger Fahrer meldet. „Ich war gerade Rentner geworden und wollte etwas tun.“ Schon als Diplom-Ingenieur in der Telekommunikationsbranche habe er Verbindungen zwischen Menschen geschaffen.

Acht Personen sicher von A nach B

Im Fall des Bürgerbusses gilt es, acht Personen sicher von A nach B zu bringen. Er fährt dort, wo die Busse des öffentlichen Personennahverkehrs nicht fahren, und sammelt die Leute auch zwischen den Haltestellen ein. „Dieses Angebot verbessert das Stadtleben, macht es belebter, weil die Menschen rauskommen“, sagt Helmut Weiser. Ihm habe immer gefallen, dass die Leute sich freuen, dass man sie mitnimmt. Manchmal, erinnert er sich, stiegen Bürger mit ihrem Besuch ein, um diesem den Ort zu zeigen. „Mit dem Bür-gerbus entdeckt man Ecken, die man bislang nicht gesehen hat“, sagt der Korntaler. Und zum Dank haben die Gäste ihm auch mal einen Schokoriegel oder einen Piccolo in die Hand gedrückt.

Ähnliches erlebt Angelika Sommer. „Man wird überall positiv aufgenommen und kriegt eine Menge zurück, zum Beispiel Dankbarkeit“, sagt die 63-Jährige. Die gelernte Floristin und Busfahrerin ist auch von Anfang an dabei. Die Tätigkeit gibt der Münchingerin die Möglichkeit, ihren Beruf auszuüben und zugleich anderen zu helfen. „Der Bürgerbus erhält die Selbstständigkeit der älteren Menschen“, sagt Angelika Sommer. Viele Fahrgäste seien Auto gefahren, bis dies nicht mehr ging. „Statt ihre Kinder, Enkel, Nichten oder Neffen um Hilfe zu bitten, legen sie ihre Termine so, dass sie sie allein mit dem Bürgerbus erledigen können.“

Ein Pläuschchen mit dem Fahrer

Im Bürgerbus hat Angelika Sommer Freiheiten, die sie im Linienbus nie hatte. Man sei für die Menschen da. Das bedeute, ihnen beim Ein- und Aussteigen und mit den Einkaufswagen, zu helfen oder mit ihnen zu plaudern. „Es ist erwünscht, mit dem Fahrer zu reden. Das ist für viele Fahrgäste ein Höhepunkt“, sagt Angelika Sommer.

Gut 15 000 Euro investiert die Stadt im Jahr in das Projekt, rund 4500 Fahrgäste nutzen es jährlich. Eine Fahrt kostet einen Euro. „Aus dem sozialen Blickwinkel ist das System ein voller Erfolg“, sagt die Rathaussprecherin Angela Hammer. Dies bestätigten die Rückmeldungen der Fahrgäste, die sehr froh um das Angebot seien. Im Kreis Ludwigsburg haben etwa Marbach und Freiberg am Neckar einen Bürgerbus. Stärker verbreitet sei das Angebot laut Angela Hammer in den Kreisen Esslingen und Göppingen. Dem Verkehrsministerium zufolge gibt es landesweit mehr als 50 Bürgerbusverkehre.

Feier wird verschoben

Vor wenigen Wochen legte sich die Stadt einen barrierefreien Niederflurbus zu. Dessen Einweihung wollte sie am 25. April groß feiern – zusammen mit dem Zehn-Jahr-Bestehen des Bürgerbusses. Die Feierlichkeiten sind wegen des Coronavirus aber verschoben. Ein neues Datum steht noch nicht fest.

Und noch etwas treibt die Fahrer um: Laut Helmut Weiser scheiden bis Ende Mai vier Freiwillige aus. „Wir brauchen Nachwuchs“, sagt der 75-Jährige. „Anfangs konnten wir uns vor Interessenten kaum retten. Heute ist es schwer, Ehrenamtliche zu finden.“ Regelmäßig startet die Stadtverwaltung Aufrufe, die Fahrer sprechen ihre Gäste auf das Ehrenamt an. Dieses gibt Weiser nun aus Altersgründen auf. Langweilig wird ihm aber wohl kaum: Er hilft im Repaircafé, ist Jugendbetreuer beim Schulschwimmen sowie Amateurfunker. Auch hier kann er Verbindungen zwischen den Menschen schaffen.