Die Bürgerstiftung lädt im November zu 20 sehr unterschiedlichen Spaziergängen ein, die alle um die Themen Trauer und Verlust kreisen. Manche sind sehr persönlicher Natur, auf manchen Wegen lernen die Teilnehmer fremde oder vergangene Trauerpraktiken kennen.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-Süd - Allerseelen, Volkstrauertag, Totensonntag: Der November ist dem Gedenken an die Toten gewidmet. Doch das Trauern und Abschiednehmen ist in diesen Tagen noch schwieriger als ohnedies. Die Angst vor der Pandemie verhindert den Trost körperlicher Nähe, lässt Trauerfeiern nur in abgestecktem Rahmen zu. Manchen war es gar unmöglich, sich noch von sterbenden Angehörigen zu verabschieden, und viele Trauernde blieben allein zurück. Die Bürgerstiftung hat sich für den Corona-November ein Format überlegt, das Trauernde, deren Angehörige und Freunde in regelkonformer Weise erreicht: geführte Spaziergänge.

 

20 „Trauerwege“ hat das Palliativ-Netz Stuttgart, koordiniert von der Bürgerstiftung, mit seinen Akteuren zusammengestellt. Das Netzwerk setzt sich dafür ein, dass Bürger in Stuttgart in Würde und ohne Ängste sterben können und die Angehörigen die Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Man staunt über die Unterschiedlichkeit der Zugänge zum Thema bei den angebotenen Trauerwegen. „Möglichst viele sollen sich dabei angesprochen fühlen“, sagt Katja Simon von der Bürgerstiftung. Die Teilnehmerzahl ist nun allerdings nochmals beschränkt worden. Die Wegstrecken selbst führen durch reizvolle Natur mit Ausblicken oder durch die Stadt. Im folgenden eine Auswahl.

Runterkommen, fühlen, sich verbinden

Der erste Trauerweg, bei dem noch Plätze frei sind, findet am Donnerstag, 5. November, um 14 Uhr statt und steht unter dem Motto „Tränen – Trauer – Trost: Im gemeinsamen Gehen den eigenen Trauerweg finden“. Als Begleiter mit unterwegs sind Vertreter unterschiedlicher Weltanschauungen – christliche, muslimische und buddhistische. Die Zen-Lehrerin Leoni Taisui McGough ist mit unterwegs. Ihr geht es darum, „zu entschleunigen und wieder ins Hier und Jetzt zu finden. Und es geht um ein gemeinsames Erleben: Wir verbinden uns und stützen uns gegenseitig“. Einen kulturhistorischen Spaziergang bietet am selben Nachmittag Maike Sander an. Sie erläutert auf ihrem Weg ab 16 Uhr Trauermoden vergangener Jahrhunderte.

Jüdische Trauerkultur steht im Mittelpunkt des Trauerwegs am Sonntag, 8. November, um 12 Uhr auf dem jüdischen Teil des Pragfriedhofs. Barbara Traub von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg berichtet über jüdische Begräbnistraditionen und den Wert des Gedenkens. Männliche Besucher werden gebeten, eine Kopfbedeckung zu tragen.

Eher persönlicher Natur dürften die nachfolgenden Trauerwege werden mit der Psychologin Claudia Bäumer am 9. und am 23. November und mit Andréas Hofstetter-Straka, Theologe bei der katholischen Gesamtkirchengemeinde Süd, ebenfalls am 9. November und am 23. November. Die konkrete, selbst erlebte Trauer steht auch im Mittelpunkt des Trauerwegs „Leicht-Sinn“ mit Christine Dehlinger am 11. November. Ziel der Trauerpädagogin ist es, „dass die Teilnehmer über die Sinne wieder zum Lebenssinn finden. Sie werden etwas aus der Natur mitnehmen und in einer Kreativarbeit am Ende auffädeln an einem Lebensfaden und mit nach Hause nehmen“. Der Performancekünstler und Musiker Thomas Putze begibt sich unter dem Motto „Unter der Trauerweide mit der Gitarre“ am 16., 17. und 18. auf einen Trauerweg. Gemeinsam bricht man auf zur Atelierstadt Container-City, unter das schützende Dach einer Trauerweide.

Mit der Gitarre in der Hand

Aus eigener schmerzlicher Erfahrung speist sich die Trauerwegs-Idee von Daniela Aldinger am 18. November, deren kleine Tochter vor vier Jahren an Krebs starb. „Wir sind im ersten Jahr nach ihrem Tod jeden Tag mit dem Hund denselben Weg spaziert.“ Die Strecke zum Teehaus wird sie auch mit den Teilnehmern wählen und mit ihnen über die Parallelen sprechen zur aktuellen Corona-Erfahrung, in der die Dinge ebenfalls ins Wanken gerieten, sagt Aldinger: „Wir nehmen Abschied vom alten Alltag, von den Sicherheiten, die man immer hatte.“

Muslimische Trauerrituale in der Praxis erleben die Teilnehmer des Trauerwegs am 21. November mit Mucip Geyik und Halim Gürbüz von der muslimischen Gemeinde Zuffenhausen. „Wir werden eine Trauerfeier vollziehen“, erklärt Geyik, Koranverse werden rezitiert, gemeinsam gebetet und die Namen der Verstorbenen werden genannt – alles auf Türkisch. Im Anschluss folgt die Übersetzung und Gespräche sind möglich.