Zufriedenheit bei der SPD – Beharren bei der CDU im Land: Beim Gipfel der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten wurde eine Lösung für den Zankapfel Betreuungsgeld gefunden. Die Länder sollen die frei werdenden Milliarden für Familien-Leistungen erhalten.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Das Finanzpaket, das die Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstagabend mit den Ministerpräsidenten für die Länder geschnürt hat, war so vollgepackt, dass ein hochinteressantes Geschenk des Bundes bei der Präsentation zunächst unbeachtet blieb. Die Matadore hatten nicht nur die Lasten der Flüchtlingsversorgung neu verteilt, sondern nebenbei auch noch den Zankapfel Betreuungsgeld aus dem Weg geräumt.

 

Demzufolge stellt der Bund den Ländern die frei werdenden Milliarden für, wie es hieß, familienpolitische Leistungen zur Verfügung. Es kann nun in den Kita-Ausbau gesteckt werden – muss es aber nicht, auch weil die CSU ganz anderes vorhat. Verteilt werden soll das Geld anhand der Kriterien Umsatzsteuerpunkte und Einwohnerzahlen. 2016 geht es nach Worten der Kanzlerin um 310 Millionen Euro, in den beiden Folgejahren sind jeweils fast eine Milliarde Euro zu vergeben.

Der Einigung war ein heftiges Gezänk in der großen Koalition über die Verwendung der ungenutzten Mittel vorausgegangen, die noch bis 2018 im Haushalt eingeplant sind. Denn Mitte Juli hatte das Bundesverfassungsgericht die Leistung des Bundes zu Gunsten der heimischen Erziehung von Kleinkindern gekippt. Die Richter sprachen dem Bund die Kompetenz ab, ein solches Gesetz zu erlassen. Das von den Gegnern stets heftig beschimpfte Projekt war im Sommer 2013 auf Betreiben der CSU und trotz massiven politischen Gegenwinds realisiert worden. Seither erhalten Eltern anfangs 100 Euro und nunmehr 150 Euro, wenn sie ihr Kind zwischen dem 15. und 36. Lebensmonat daheim betreuen, statt es in eine öffentlich geförderte Kita zu geben. Neue Anträge dürfen jetzt nicht mehr bewilligt werden.

Schwesig triumphiert über Schäuble

SPD-Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig demonstrierte nach dem Gipfelbeschluss ihre Zufriedenheit. Sie wollte das Geld ohnehin den Ländern und Kommunen zukommen lassen, damit diese es in öffentliche Kinderbetreuungsangebote investieren. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte aber Anfang September darauf beharrt, damit „ungeplante Mehrausgaben“ – also Haushaltslöcher bei Hartz-IV-Leistungen und beim Elterngeld – zu stopfen. Nun triumphiert die forsche Sozialdemokratin über den Routinier.

Bestätigt sehen darf sich auch Baden-Württembergs Landesregierung, die zu den härtesten Gegnern des Betreuungsgeldes gehört und nach dem Karlsruher Urteil dessen Umwidmung in eine Förderung für Kindertageseinrichtungen verlangt hatte. Die Grundsatzentscheidung von Donnerstagabend sei ganz im Sinne von Ministerin Katrin Altpeter (SPD), sagt ihr Sprecher der StZ. Nun müsse man die Details zur genauen Verteilung und Zweckbestimmung abwarten. Was an Geld in den Südwesten fließe, werde vor allem dem für den Kita-Ausbau zuständigen Kultusministerium zukommen.

Landes-CDU beharrt auf direkter Förderung

CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf hatte zuletzt mehrfach eine „eigene Form der Familienförderung“ im Land angeregt und ein entsprechendes Konzept in Aussicht gestellt. Man wolle einen „Akzent auch für diejenigen setzen, die sich für die Betreuung zuhause entscheiden“. Neben SPD und Grünen lehnte sogar die FDP diese Idee ab.

Anstelle von Wolf legt nun die familienpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Marianne Engeser, nach: „Das Betreuungsgeld ist in Baden-Württemberg eine Erfolgsgeschichte“, sagte sie der StZ. „Die mehr als 100 000 Familien, die davon profitiert haben, wollen wir nicht im Regen stehen lassen.“ Die CDU habe immer gefordert, dass der Bund das Geld den Ländern zur Verfügung stelle. Nun solle es den Familien direkt zugutekommen. Dies ändere nichts am wichtigen Ausbau der Betreuungsangebote. „Aber es gibt eben auch Eltern, die lieber andere Modelle wollen, mehr selber machen und nebenbei vielleicht noch eine Tagesmutter engagieren“, so Engeser. „Wir sollten diese Entscheidung den Eltern überlassen und ihren Wunsch nach Wahlfreiheit ernst nehmen.“

Somit darf sich die CSU wenigstens über ein bisschen Unterstützung freuen, denn sie steht mit ihrem Vorhaben eines Landesbetreuungsgeldes für bayerische Familien bisher allein auf weiter Flur. Das Kabinett werde sich zügig mit dem Gesetzentwurf befassen, betont Ministerpräsident Horst Seehofer. „Wir machen das auf jeden Fall.“ Er rechnet für sein Land mit etwa 200 Millionen Euro, die der Bund jährlich überweise – der Freistaat werde den Betrag noch aufstocken müssen. Sozialministerin Emilia Müller nannte es ein „deutliches Signal“, dass 73 Prozent der bayerischen Eltern mit ein- und zweijährigen Kindern das Betreuungsgeld beanspruchten.