Ist es Faulheit gewesen oder Überforderung? Ein Staatsanwalt aus Freiburg hat mehrfach anklagereife Verfahren einfach nicht vor Gericht gebracht. Vom Landgericht ist er dafür verurteilt worden. Beim Bundesgerichtshof findet er nun mehr Verständnis.

Karlsruhe - Der Fall eines wegen Rechtsbeugung und Strafvereitelung im Amt verurteilten Staatsanwalts aus Freiburg muss neu verhandelt werden. Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Freiburger Landgerichts gegen den 56-Jährigen aufgehoben. Mit einer erneuten Verhandlung betrauten die Bundesrichter die Kollegen vom Landgericht in Karlsruhe.

 

Nach den Feststellungen des Feiburger Landgerichts hatte der Angeklagte in sechs Fällen ausermittelte und anklagereife Ermittlungsverfahren nicht weiter bearbeitet. Im Computersystem der Staatsanwaltschaft vermerkte er, die Verfahren seien eingestellt. Auf diese Weise sollten die Vorgesetzten nicht mehr auf die liegen gebliebenen Fällen aufmerksam werden.

Dies funktionierte auch, bis sich der Anwalt eines 16-jährigen Mädchens, das von seinem Stiefvater missbraucht worden war, erkundigte, wann in dem Fall, in dem sogar ein Geständnis vorlag, endlich Anklage erhoben werde. Der Staatsanwalt war im Urlaub, der Dienstvorgesetzte fiel aus allen Wolken. Bei einer internen Prüfung stieß er auf weitere liegen gebliebene Fälle. Bei einem mutmaßlichen Autoschieber und einer Frau, die notorisch Waren im Internet bestellt hatte, ohne zu bezahlen, war sogar schon Verjährung eingetreten. In den anderen Fällen, so stellte das Landgericht fest, sei die später verhängte Strafe wegen des verspäteten Prozesstermins wesentlich milder ausgefallen.

Der Angeklagte, der vom Landgericht zu einer Bewährungsstrafe von 16 Monaten verurteilt worden war und der damit Amt, Gehalt und Teile seiner Altersversorgung verloren hätte, verwies auf seine starke Überlastung. Der Bundesgerichtshof folgte nun seiner Revision. So äußerten die Richter Zweifel daran, ob der Tatbestand der Rechtsbeugung bei den Fällen, die noch nicht verjährt gewesen seien, überhaupt erfüllt sei. In den beiden anderen Fällen sei das Freiburger Landgericht womöglich von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen und habe eine zu harte Strafe verhängt. (Az. 4 StR 274/16)