Langeweile im Titelrennen, sinkendes Interesse der Jugend, ein Minus bei den TV-Quoten, Probleme bei der Auslandsvermarktung und das Zukunftsprojekt Digitalisierung: Die neue DFL-Chefin Donata Hopfen muss eine erfolgsverwöhnte Branche zum Umdenken bewegen.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Seit Januar führt Donata Hopfen als Nachfolgerin des umtriebigen Christian Seifert die Deutsche Fußall-Liga (DFL) – und ihr erstes Eigentor hat die ehemaligen Managerin aus dem Hause Springer im neuen Job recht schnell geschossen: Ihre zwar verhalten formulierte Idee, den Supercup zwischen dem deutschen Fußballmeister und dem Pokalsieger in Saudi-Arabien ausspielen zu lassen, war ein grober Anfängerfehler. „Nachdem, was daraus gemacht worden ist“, das hat die 46-Jährige längst gelernt, „würde ich mir heute mindestens einen Nebensatz mehr dazu erlauben.“

 

Schließlich gibt es rund um die Bundesliga auch so Probleme genug: Aufgrund der Langeweile im Titelrennen mit der zehnten deutschen Meisterschaft des FC Bayern in Serie, aber auch durch das zunehmende Desinteresse der jüngeren Zielgruppe am Fußball muss eine erfolgsverwöhnte Branche ernsthaft umdenken. Ein Weiter-so ist keine Alternative – das hat man längst erkannt. Also steht die große Nagelprobe, „die Quadratur des Kreises“ wie Hopfen sagt, für den deutschen Fußball noch aus. Die ersten Beschlüsse nach der DFL-Mitgliederversammlung Ende Mai – etwa, dass es bei fünf Einwechslungen pro Team bleiben wird – sind da nur Fußnoten verglichen mit den Reformen, welche der deutsche Profifußball von Herbst an anschieben will.

Fernsehfußball als teures Vergnügen

„Es werden Zukunftsszenarien für die Liga ausgearbeitet. Mehr Spiele im Free-TV sind etwa ein Bestandteil der Gedanken“, sagt Donata Hopfen zu dem Umstand, dass sich der Profifußball in Deutschland auch vom kleinen Mann entfernt hat. Während Liga und Europapokal hierzulande unter den Anbieter Sky, DAZN, RTL+ und Amazon Prime im teuren Pay-TV zersplittert sind, musste die ARD-„Sportschau“ im frei empfangbaren Fernsehen ohne Livespiele zuletzt drastische Einbußen hinnehmen: Im Durchschnitt schauten 3,9 Millionen Menschen die Zusammenfassungen. Das sind rund 17 Prozent weniger als in der Saison zuvor. „Der Verlust von fast 900 000 Zuschauern im Schnitt macht uns natürlich Sorgen“, sagt der ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky.

Kein Wunder also, dass bei der DFL auf der Suche nach mehr Spannung bereits gewagte Szenarien wie die Einführung einer Play-off-Runde im Finale der Bundesliga mit K.-o.-Spielen unter den ersten acht der Tabelle diskutiert wird. „Es gibt keine Denkverbote und keine heiligen Kühe“, sagt Donata Hopfen hierzu – doch beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) regt sich Widerstand: „Meine Meinung ist: Wir haben in Deutschland zwei wirklich gute und akzeptierte Wettbewerbe“, sagt der neue DFB-Präsident Bernd Neuendorf – und verweist auf die Punkterunden der Liga im Unterschied zum DFB-Pokal: „Dieses Prinzip, das im gesamten deutschen Fußball bis hinunter in die Kreisligen praktiziert wird, möchte ich nicht infrage stellen.“

Oliver Kahn zeigt Interesse

Doch Hopfen weiß auch gewichtige Verbündete an ihrer Seite – etwa den Münchner Vorstandschef Oliver Kahn. „Ein Modus mit Halbfinals und Finale würde Spannung für die Fans bedeuten. Es macht also Sinn, so einen Gedanken durchzuspielen“, sagt der ehemalige Nationaltorwart.

Anders sieht es da beim Thema Auslandsvermarktung aus, wo Kahn im Vergleich zu den Engländern ein „erdrutschartiges Missverhältnis“ ausgemacht hat. „Wir sind in Europa hinter der englischen Premier League und der spanischen La Liga ganz klar die Nummer drei“, sagt Donata Hopfen zwar. Doch die Unterschiede sind beträchtlich: Zwei Milliarden Euro kassiert die Premier League pro Saison für ihre TV-Rechte im Ausland, bei der Bundesliga sind es gerade mal 150 Millionen Euro.

Es gibt auch anderweitig viel zu tun: Während die Liga künftig auf Nachhaltigkeit setzt und hierzu erstmals eine konkrete Richtlinie für sämtliche Clubs in ihrer Lizenzierungsordnung verankert hat, stößt die Digitalisierungsoffensive der neuen Chefin derweil auf wenig Gegenliebe.

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Eines der Stichwörter hier heißt „Metaverse“: Als erster Fußballclub der Welt will Manchester City sein Stadion in einer virtuellen Welt nachbauen. Fans sollen sich dann nur noch eine spezielle Brille aufsetzen müssen, um sich wie im richtigen Stadion zu fühlen. Mit derlei Dingen will der Fußball die Jugend begeistern. Livekameras an den Körpern der Spieler, mehr Liveinhalte aus den sozialen Kanälen, zusätzliche Grafiken während der Spiele, Interviews mit Spielern bei Unterbrechungen oder das Mithören der Schiedsrichterkommunikation, all dies sind weitere Gedankenmodelle. „Vor uns liegen noch viele Chancen“, sagt Donata Hopfen. „Wir wollen die digitalste Liga der Welt sein.“

Doch es ist noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten. Denn nach einer Umfrage des Sportinformationsdienstes (sid) sehen 63,9 Prozent der befragten Fans die Digitalpläne negativ bis sehr negativ.