Klimaschutz ist das zentrale Anliegen im Grünen-Wahlprogramm. Im Gegenzug setzt die Öko-Partei auf mehr Umverteilung und sozialen Ausgleich.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - „Deutschland. Alles ist drin“ ist der Titel des Wahlprogramms der Grünen, das am 13. Juni auf einem digitalen Parteitag beschlossen wurde. Bei der Bundestagswahl am 26. September wollen die Grünen möglichst breite Schichten ansprechen.

 

Klimaschutz

Die Grünen haben ein „Klimaschutz-Sofortprogramm“ angekündigt. So wollen sie ein Klimaministerium mit Vetorecht einrichten, das klimaschädliche Projekte stoppen kann. Bis 2035 soll Deutschland klimaneutral sein. Den Kohleausstieg wollen sie auf 2030 vorziehen. Binnen vier Jahren sollen 1,5 Millionen Dächer mit Solarpaneelen eingedeckt sein. Sie wollen den ökologischen Wandel „durch einen klugen Mix aus CO2-Preisen, Anreizen sowie Ordnungsrecht und Abbau von umweltschädlichen Subventionen“ erreichen. Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollen als Energiegeld an die Menschen zurückerstattet werden. Bis 2035 wollen sie 100 Milliarden Euro in den Schienenverkehr investieren. Auf Autobahnen soll ein Tempo 130 gelten.

Steuern und Finanzen

Die Schuldenbremse soll gelockert werden. Die Grünen wollen sie „zeitgemäß gestalten“ und meinen damit eine begrenzte Kreditaufnahme für Investionen. Wohlhabende und Menschen mit gutem Verdienst wollen sie stärker belasten. Dazu wollen sie eine Vermögenssteuer (ein Prozent ab zwei Millionen Euro) einführen und den Spitzensteuersatz auf 48 Prozent anheben. Um Geringverdiener zu entlasten, wollen sie den Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer heraufsetzen. Managergehälter von mehr als 500 000 Euro sollen Unternehmen nicht mehr als Betriebsausgabe von der Steuer absetzen können. Auf EU-Ebene machen sich die Grünen für eine Digitalsteuer stark, die Internetkonzerne wie Google oder Facebook treffen soll.

Familien und Kinder

Im Familienrecht sollen „Alleinerziehende, Patchwork-, Stief- oder Regenbogenfamilie“ gleichberechtigt werden. Die Grünen wollen auch das Namensrecht, das Sorgerecht und das Abstammungsrecht liberalisieren. Sie streben eine Kindergrundsicherung an, das Kindergeld, Kinderfreibeträge, Kinderzuschlag, Sozialgeld und den Bedarf für Bildung und Teilhabe zusammenfasst. Je niedriger das Familieneinkommen desto höher ist der Mindestbetrag. Der Anspruch auf Elterngeld soll auf 24 Monate ausgeweitet werden, sofern beide Eltern sich um das Kind kümmern(bisher: 14 Monate). Die Grünen wollen auch den Anspruch auf Kinderkrankengeld auf 15 Tage im Jahr pro Kind erhöhen (bisher: zehn). Kinderrechte wollen sie im Grundgesetz verankern.

Außen- und Sicherheitspolitik

Die Grünen wollen die Wirtschaftsmacht der EU nutzen, um „die globale Transformation gerecht zu gestalten und ambitionierte Standards zu setzen“, etwa beim Klimaschutz. Sie sind offen für eine Erweiterung der Union, wollen in der Außen- und Sicherheitspolitik Mehrheitsvoten ermöglichen. Die Währungsunion soll zu einer Sozialunion ausgebaut werden. Die Bundeswehr soll so ausgestattet werden, dass „sich die Bündnispartner auf Deutschland verlassen können“. Das Ziel der Nato, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die militärische Ausrüstung zu investieren, lehnen sie jedoch ab. Bewaffnete Auslandseinsätze tragen die Grünen mit. Bewaffnete Drohnen wollen sie nur unter strikten Vorgaben einsetzen.

Rente und Altersvorsorge

Die Rente mit 67 soll unangetastet bleiben. Die Grünen wollen aber den Renteneintritt flexibler gestalten. Sie versprechen eine „langfristige Sicherung des Rentenniveaus bei mindestens 48 Prozent“. Dazu sollen notfalls die Steuerzuschüsse erhöht werden. Schrittweise wollen sie die gesetzliche Rentenkasse in eine Bürgerversicherung umwandeln, in die alle Beschäftigten einzahlen. Die Riester-Rente wollen sie durch einen Bürgerfonds ersetzen, der „öffentlich und politisch unabhängig verwaltet“ wird. Die Grundrente soll zur „echten Garantierente“ werden. Unternehmen sollen dazu verpflichtet werden, eine betriebliche Altersvorsorge anzubieten und dazu einen eigenen Finanzierungsbeitrag zu leisten. Sie könnten dafür den Bürgerfonds als Standard nutzen

Digitalisierung

Digitale Innovation dient auch dem Umweltschutz, lautet das Credo der Grünen. IT-Sicherheit sei auch ein Standortfaktor. Deshalb wollen sie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik stärken. Jedem Einzelnen wollen sie einen Rechtsanspruch auf schnelles Internet zusichern. Der Staat müsse durch Digitalisierung der Verwaltung „effektiver und bürgernäher“ werden. Jede Person soll eine digitale Identität erhalten – den „Personalausweis auf dem Smartphone“. In den Schulen sollen Tablets oder Laptops „selbstverständliche Lernmittel“ werden. Dem Datenschutz räumen sie in ihrem Programm einen hohen Rang ein. Ein Bundestransparenzgesetz soll den Zugang zu staatlichen Datenbeständen erleichtern.

Sicherheit, Zuwanderung, Integration

Die Grünen wollen darauf dringen, dass die EU ihren humanitären und rechtlichen Pflichten nachkommt, das Grundrecht auf Asyl garantiert und Verfahren nach völkerrechtlichen Standards fair und zügig abwickelt. Es gehe darum, „sichere und legale Fluchtwege“ zu schaffen. Sie wollen Grenzkontrollen, aber keine Fluchtabwehr. Sie sind dafür, die Einbürgerung zu erleichtern, Mehrstaatigkeit anzuerkennen, Einwanderung zu fördern nicht zu verkomplizieren. Abschiebungen lehnen sie nicht generell ab. Sie sind gegen Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchungen, wollen zudem den Verfassungsschutz zerlegen. Ein verkleinertes „Bundesamt für Gefahrenerkennung und Spionageabwehr“ soll sich um nachrichtendienstliche Aufgaben kümmern.