In dem Stimmenrevier haben sich die Vorzeichen plötzlich geändert. Nicht nur die CDU scheint Chancen auf das Direktmandat zu haben, sondern auch das Personal von zwei rivalisierenden Parteien.

Stuttgart - Manchmal kommt plötzlich alles anders. Eigentlich schien das Rennen um das Direktmandat im Bundestagswahlkreis 259 (Stuttgart II) mit den nördlichen Bezirken und den Neckarorten ja eine recht sichere Sache für die CDU zu sein. Aber das kann man nicht mehr sagen. Ja, man kann noch nicht einmal von einem Duell zwischen den Bewerbern von CDU und SPD reden, die hier seit 1949 ums Direktmandat rangen. Maximilan Mörseburg (CDU) ist sich momentan nicht sicher, wer sein Hauptkonkurrent ist.

 

Das Online-Portal Wahlkreisprognose.de sah zuletzt Dejan Perc von der SPD hauchdünn an der Spitze. Bei Election.de wird dem Sieg der Grünen-Kandidatin Anna Christmann etwas höhere Wahrscheinlichkeit attestiert als anderen Kandidaten. Aber nicht nach einer Umfrage, sondern nach Auswertung von Wahlkreisdaten und übergeordneten demoskopischen Trends. Ein Hauch von Triell weht also auch in diesem Wahlkreis.

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Strukturell hatte in dem Revier mit Stuttgarts Industriestandorten, aber auch mit beschaulichen und (klein-)bürgerlichen Wohnorten früher erst die SPD und später zunehmend die CDU die besten Voraussetzungen. Seit Karin Maag 2009 der zuvor dreimal erfolgreichen SPD-Politikerin Ute Kumpf das Direktmandat abknöpfte, schien die CDU die Oberhand zu haben. Zuletzt obsiegte Maag 2017 mit 33,5 Prozent der Erststimmen. Nun aber sagte sie der Politik Ade, und die CDU will den 29-jährigen Newcomer Mörseburg nach Berlin entsenden.

Die SPD wittert eine Gewinnchance

Die 15 Prozentpunkte Vorsprung, die Maag 2017 auf den SPD-Bewerber Michael Jantzer (18,5 Prozent) hatte, scheinen für die CDU vielversprechend zu sein. Doch im Gefühl des Rückenwinds durch günstige Umfragewerte im Bund sagt der aktuelle SPD-Kandidat Perc: „Dass ich das Direktmandat gewinne, ist keineswegs ausgeschlossen.“ Für Perc, der auch SPD-Kreisvorsitzender ist, wäre es ein grandioser Erfolg, als Abgeordneter auf frühere SPD-Größen wie Erwin Schoettle, Ernst Haar, Peter Conradi und Kumpf zu folgen.

Grünen-Kandidatin hält das Rennen für total offen

Aber da ist ja auch noch Anna Christmann, die 2017 erstmals antrat und über die Landesliste der Grünen in den Bundestag kam. Damit zumindest kann sie, anders als Mörseburg und Perc, nun wieder rechnen, wenn sie nicht das Direktmandat holen kann. Vor vier Jahren ging sie mit 15,9 Prozent Erststimmen auf Platz 3 durchs Ziel. Doch diesmal sei die Ausgangslage ganz anders, das Rennen „total offen“, sagt sie. Schließlich seien die Grünen im Begriff, ihr Ergebnis im Bund etwa zu verdoppeln.

Wer das Direktmandat tatsächlich bekommt, darüber können dieses Mal rund 179 000 Wahlberechtigte entscheiden.

Die Situation im Wahlkreis

Vorgeschichte
Seit 1949 ging das Direktmandat stets an die SPD oder die CDU. 1949 und 1961 obsiegte Erwin Schoettle (SPD), dazwischen zweimal Erwin Häussler (CDU). 1965 begann die Ära von Ernst Haar (SPD). Nach viermaligem Erfolg von ihm gewann 1980 sein Parteifreund Peter Conradi. 1983 und 1987 kam Herbert Czaja (CDU) zum Zuge, 1990 und 1994 Erika Reinhardt (CDU). Anschließend ging das Direktmandat dreimal an Ute Kumpf (SPD). Von da an war Karin Maag (CDU) vorne. Manchmal tröstete ein Zweitmandat über den Misserfolg beim Direktmandat hinweg.

Weitere Kandidaten
Bei der Bundestagswahl 2021 treten insgesamt 16 Frauen und Männer an. Außer dem Personal der im Bundestag vertretenen Parteien sind das: der IT-Systemkaufmann Matthias Gottfried (Tierschutzpartei), der Maschinenbauingenieur Tim Fabian Westenberg (Die Partei), der Bautechniker Ralf Peter Wendel (Partei Freie Wähler), der Ruheständler Volker Otto Kraft (MLPD), der Mechatronikingenieur Thomas Kucher (Die Basis), der Gastronom Milton René Greiner (Bürgerbewegung), der Software-Entwickler Konstantin Ksensow (Die Humanisten), der Informatiker Jan Peter König (Volt), der Angestellte Christoph Andreas Mohs (Bürgerrechtsbewegung Solidarität) und als Einzelbewerber der Kfz-Mechaniker Erkan Demir.

Wahlkreis Dazu gehören die Stadtbezirke Bad Cannstatt, Botnang, Feuerbach, Mühlhausen, Münster, Obertürkheim, Stammheim, Stuttgart-Ost, Untertürkheim, Wangen, Weilimdorf und Zuffenhausen.