Wir stellen die Stuttgarter Kandidaten zur Bundestagswahl vor. Heute: mit Christina Frank von den Linken an der Stadtbahn-Endhaltestelle an der Garbe. Wenn sie von prekären Arbeitsbedingungen erzählt, ist Frank in ihrem Element.

Stuttgart - Sie ist eigentlich keine, die das Rampenlicht sucht. Dass sie dennoch für die Linke und den Bundestag kandidiert, bezeichnet Christina Frank als „Notwehr“. Ihr Treibstoff ist Wut. Die 58-jährige Verdi-Gewerkschaftssekretärin war unter anderem für die Schlecker-Insolvenz zuständig, „für meine Schlecker-Frauen“, wie sie sagt. Und sie wird, rein beruflich, oft mit Altersarmut konfrontiert. „Das ist so, dass man es manchmal fast nicht aushält.“ Nun schaut ihr Konterfei allüberall im Stadtbild Passanten und Autofahrer grimmig lächelnd an und schleudert ihnen ihr „100 % sozial“ entgegen – weiße Lettern auf rotem Grund. „Millionäre besteuern, Armut bekämpfen. Für Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden“ steht drunter.

 

An der Endhaltestelle der Stadtbahnlinie U 3 an der Plieninger Garbe hält sich die Millionärsdichte eher in Grenzen. Aber Millionäre sind ja auch nicht die Zielgruppe. Mit zwei Helfern hat Christina Frank einen kleinen Stand aufgebaut, direkt neben der Haltestelle. Ein Campingtischchen mit Flugblättern, ein paar roten Kugelscheibern und Feuerzeugen. Doch da noch Semesterferien sind, ist nicht viel los. Kaum jemand bleibt stehen.

Ihr fehlt die Geschmeidigkeit der Profis

Dabei hat Christina Frank extra diesen Standort ausgewählt, damit die Gespräche nicht ausufern, weil die Leute ihr immer viel erzählten, dann aber auf ihren Bus oder ihre Bahn müssten. Spröde wirkt sie. Als sie für den Fotografen posieren soll, fremdelt sie. Fotos von sich mag sie nicht. Obwohl sie seit Mitte Juli jeden Werktag vier Stunden Straßenwahlkampf macht, fehlt ihr die Geschmeidigkeit der Profis. Das Joviale liegt ihr nicht. Schließlich ist es ihre erste Kandidatur, die Zeit für den Wahlkampf schneidet sie sich aus den Rippen: „Ich zieh meinen Urlaub quasi halbtags – bei uns gibt es keine Freistellung mehr für so was“, sagt die Gewerkschaftsfrau. Dennoch mache ihr die Sache Spaß, erklärt sie. Zudem lerne sie so Stuttgart kennen. „Ich will ein Feeling für die Stadtteile kriegen“, sagt sie. Die U-3-Endhaltestelle wirke „ziemlich künstlich“, aber sie liegt auch nicht wirklich im Flecken. Ins Zentrum von Plieningen sei sie bewusst nicht gegangen, erklärt Frank: „Die Alteingesessenen sind nicht unsere.“ Im Fasanenhof, da habe sie ihr Klientel getroffen: „Die Leute sind vor Angst gelähmt, ich hab da einen Blick dafür“, sagt sie. „Die Hartz-IV-Gesetze müssen weg, ,equal‘ pay für Leiharbeiter.“ Die kalte Wut habe sie auf dem Europaplatz gepackt, der gerade neu entsteht. „Die Bauarbeiter kriegen 4,60 Euro – da muss eine Razzia gemacht werden. Die öffentliche Hand ist der größte Verbrecher“, so Frank, denn mit dem Bau habe die Stadt Stuttgart die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft (GWG) beauftragt, die wiederum Subunternehmer beschäftige.

Wenn sie von prekären Arbeitsbedingungen erzählt, ist Christina Frank in ihrem Element. „Da werd ich zum Hirsch.“ Man nimmt ihr die Wut ab, wenn sie über einige Schlecker-Frauen berichtet, die 14 Tage kostenlose „Probearbeit“ bei einer Tankstelle machen mussten und dann mit den Worten „Sie haben nicht überzeugt“ rausflogen. Und die dann, wenn sie sich so einem Job verweigerten, vom Arbeitsamt eine Sperrzeit erhielten: drei Monate kein Geld.

Sie ist gern gesehener Gast in Fernseh-Talkshows

Christina Frank kennt viele solcher Geschichten. Ihr Engagement für die Betroffenen hat ihr schon Teilnahmen an Fernseh-Talkrunden der Illners und Maischbergers beschert. Aber sie stellt auch klar: „Ich will gar nicht nach Berlin.“ Ihr Listenplatz sieben, so hofft sie, könnte sie davor bewahren. „Ich kann schon was machen, aber dazu muss ich nicht nach Berlin“, sagt sie und verweist auf ihre guten Kontakte zur Bundestagsfraktion und zum Bundesvorsitzenden Bernd Riexinger, der früher ihr Chef war. „Ein guter Chef“, betont sie.

Weshalb sie dann für den Bundestag kandidiert? „Damit die Leute anders wählen: damit es Rot-Rot-Grün gibt.“ Eines steht für die Gewerkschaftsfrau fest, die aus der SPD wegen der Agenda-2010-Sache aus- und vor vier Jahren in die Linke eingetreten ist: „Wenn die anderen dranbleiben, werden die alles kaputt machen.“ Es gehe doch in ihrem Bereich jetzt schon zu „wie im Krieg“. Schnappt ihr Campingtischchen und die Flyer und packt sie in ihr rotes Audi A 3 Sportcabrio, mit dem man „auch sperrige Fahnen transportieren“ könne. Eines ihrer nächsten Ziele sei Sillenbuch. Dorthin will sie einen S-21-Flyer mitnehmen: „Denn da kann ich mit Sozialem nicht so punkten, da haben viele ihre Häusle. Das sind eher die Wutbürger.“