Überraschender Sinneswandel bei Sozialdemokraten und Grünen: SPD-Wähler sollen bei der Bundestagswahl im Stuttgarter Süden für den Grünen Cem Özdemir votieren. Dafür empfehlen die Grünen, im Norden den SPD-Kandidaten zu wählen.

Stuttgart - Die Grünen und die SPD haben am Dienstagabend überraschend mitgeteilt, dass sie nun mit einem „partnerschaftlichen Wahlkampf“ in Stuttgart dazu beitragen wollen, dass am 22. September die schwarz-gelbe Koalition in Berlin abgelöst wird. Bisher hatten beide Parteien stets betont, dass jeder für sich kämpfe. „Wir möchten, dass auch die Erststimme möglichst effektiv eingesetzt werden kann und die CDU bei dieser schwarz-gelben Politik keine zwei Direktmandate aus Stuttgart erhält“, erklärte Philipp Franke, der Kreisvorsitzende der Grünen, in der Pressemitteilung der beiden Parteien.

 

Die Stuttgarter Sozialdemokraten wollen mit dem partnerschaftlichen Wahlkampf auch den Wechsel in Berlin erreichen. „Wir setzen ein rot-grünes Signal mit dem Ziel, die schwarz-gelbe Koalition durch eine handlungsfähige Regierung abzulösen“, sagte der Kreisvorsitzende Dejan Perc. Deshalb empfehle man den SPD-Anhängern im Wahlkreis I (Süd), ihre Erststimme nicht Ute Vogt, sondern dem grünen Kandidaten Cem Özdemir zu geben. Im Wahlkreis II (Nord) sollen dafür die Anhänger der Grünen statt für Birgitt Bender direkt für den SPD-Bewerber Nicolas Schäfstoß votieren. Im Süden liegen Özdemir und der CDU-Kandidat Stefan Kaufmann in Wahlprognosen fast gleichauf, im Norden gilt die CDU-Bewerberin Karin Maag als Favoritin für das Direktmandat.

Vogt hat vor kurzem eine Erststimmenkampagne noch abgelehnt

„Der einstimmige Beschluss für dieses Vorgehen ist am Montagabend auf der Sitzung des SPD-Kreisvorstands gefasst worden“, erklärte Perc auf Anfrage. In der vergangenen Woche hatte er noch betont, dass es trotz enger Prognosen keine Hilfestellung für den grünen Partner gebe. Auch die Bundestagsabgeordnete Ute Vogt hatte in einer E-Mail an die Basis erklärt, dass man keine Erststimmenkampagne für die Grünen machen werde.

Diese Situation hat sich nun geändert. Im Süden habe Cem Özdemir die größere Chance auf ein direktes Mandat. Im Norden befinde sich Nicolas Schäfstoß in einer besseren Ausgangsposition. „Aus diesem Grund unterstützen wir uns, um ein rot-grünes Ausrufezeichen zu setzen“, so Franke und Perc.

Am Dienstagabend wurde die Nachricht von der rot-grünen Kooperation in der voll besetzten Alten Scheuer bei einer gemeinsamen Wahlveranstaltung von Vogt und Özdemir mit viel Beifall aufgenommen. „Wir haben bei Veranstaltungen viele Gemeinsamkeiten entdeckt“, so Özdemir. Dadurch habe sich der Gedanke, nach außen ein klares Zeichen zu setzen, entwickelt. „Stuttgart ist zu bunt, um es im Bundestag durch zwei schwarze Abgeordnete zu repräsentieren.“ Wichtig sei die Bereitschaft der Grünen gewesen, den SPD-Kandidaten im Wahlkreis Nord zu unterstützen, sagte Vogt. „Jetzt zeigen wir den Wählern Perspektiven auf, über die aber sie allein entscheiden.“

CDU-Konkurrenz reagiert gelassen

Karin Maag, CDU-Kandidatin im Norden, nahm die Nachricht gelassen auf. Sie wundere sich, dass SPD und Grüne ihre politische Identität aufgäben. Birgitt Bender und Nicolas Schäfstoß stünden für unterschiedliche Ansichten. Zudem würden wieder die Frauen, die in beiden Wahlkreisen zurücktreten müssten, der Macht geopfert. „Ich möchte eine eigene Mehrheit erreichen“, sagte Maag. Die strebt auch ihr Kollege Stefan Kaufmann an. „Ich bin anders als Cem Özdemir und Ute Vogt nicht über die Landesliste abgesichert und kämpfe um das Direktmandat“ Überraschend käme der Sinneswandel bei dem Grünen aber nicht. „Özdemir geht es um sein Ego.“