Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nimmt die Sorgen über den Ausrüstungsstand der Bundeswehr mit in den Nordirak. Daheim lässt die Mängelliste der Inspekteure die Kritik an der Beschaffungspolitik des Ministeriums anschwellen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Immerhin, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist am Donnerstag um 11.50 Uhr Ortszeit ohne technische Probleme in die Kurden-Hauptstadt Erbil gelangt. Dort sprach sie mit Kurdenpräsident Massud Barsani, der ihr sogleich seine Kritik unterbreitete: Qualität und Anzahl der an die kurdische Peschmerga-Armee gelieferten Waffen könnten noch besser sein, sagte er.

 

Eigentlich wollte von der Leyen die Waffenausbildung kurdischer Kämpfer durch die Bundeswehr beobachten. Daraus wurde nichts: Die Lieferung der Bundeswehr – 25 Tonnen Fracht inklusive Panzerfäusten, Maschinengewehren und Sturmgewehren – war zu dem Zeitpunkt noch längst nicht eingetroffen. Erst in der Nacht zu Donnerstag war die dafür eingesetzte niederländische Maschine in Leipzig gestartet – wegen einer technischen Panne deutlich verspätet. Die sieben Soldaten zur Waffeneinweisung saßen da noch immer im bulgarischen Burgas fest. Sie konnten erst am Donnerstagnachmittag Richtung Nordirak starten.

Die Pannen begleiten die Ministerin somit in den Nordirak. Erst am Vortag hatte die Bundeswehrführung im Verteidigungsausschuss den technischen Notstand der Truppe offengelegt. Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus (FDP) attestierte der Bundeswehr sogleich mangelnde Einsatzbereitschaft. Gerade in Bereichen, in denen sie gerne ihre Dienste anbiete, wie beim Lufttransport oder beim Sanitätsdienst, seien die Soldaten komplett überlastet und das Gerät könne kaum noch gewartet werden. Das sei ein hausgemachtes Problem: „Früher hat sich die Bundeswehr für einen neuen Hubschrauber gleich die Ersatzteile mitliefern lassen“, analysiert Königshaus. Da sei man beim Kauf bereit gewesen, die gleiche Summe für Ersatzteile und Ausbildung aufzuwenden. „Das hat man heute bis auf zehn Prozent zurückgefahren.“

Von der Leyen macht die Industrie verantwortlich

Die Schuld für betagtes und daher anfälliges Gerät hatte von der Leyen am Vortag der Industrie zugeschoben, die die Bestellungen mit „einigen Jahren Verspätung“ ausliefere. Gemeint ist beispielsweise der Großraumtransporter A400M, der von November an endlich eingeführt werden soll, um die Transall abzulösen. Nicht einmal mehr die Hälfte dieser Lastenesel ist noch flugbereit. Die Mängelliste, die die Inspekteure von Heer, Luftwaffe und Marine präsentiert hatten, gibt detaillierte Auskunft über den Zustand der Geräte. Darunter finden sich bekannte Sorgenfälle wie der Eurofighter. Laut der Liste sind 42 von 109 Kampfjets einsatzbereit; auf Nachfrage erfuhren die Verteidigungsexperten aber, dass nur acht Eurofighter in der höchst verfügbaren Konfiguration genutzt werden.

Die Inspekteure hatten den jeweiligen Stand mit Ampelpunkten versehen: Ein Rot als Signal für „Einsatzbereitschaft nicht gegeben“ erhalten nur wenige Systeme – etwa der Radpanzer Boxer, der doch relativ neu ist, aber in Afghanistan auch intensiv eingesetzt wurde. 180 Boxer sind ausgeliefert – 110 befinden sich schon in der Instandsetzung. Der rote Punkte soll allerdings auch signalisieren: Die Bundeswehr hätte gerne noch 130 weitere Boxer.

Im Fokus steht vor allem das Fluggerät: Auch bei den Helikoptern Tiger und NH 90 ist die Einsatzfähigkeit stark eingeschränkt. Die Marinehubschrauber Sea King und Sea Lynx werden vor allem zur Piratenbekämpfung vor dem Horn von Afrika benötigt. Praktisch muss die vor Tagen gen Somalia ausgelaufene Fregatte Lübeck vorerst ohne ihre Helikopter auskommen – ein schweres Handicap bei dieser Mission.